Shimmer
Borste auf dieser Bürste musste voller DNA-Spuren sein. Eigentlich hätte er die Bürste zusammen mit dem anderen Zeug versenken sollen, doch er hatte beschlossen, sie zu behalten – und wieder wusste er nicht genau, warum.
Willst du gefasst werden?
Vielleicht.
Du willst sie noch einmal benutzen.
Vielleicht.
35
Jerome Cooper hatte keine Strafakte; trotzdem war Frank Luccas armseliger, erpresserischer Stiefsohn ein Widerling, und allein bei dem Gedanken, dass der Kerl sich in der Nähe seiner Familie herumtrieb, drehte sich Sam der Magen um.
»Ich habe mit einem Freund bei der Polizei von Bay Harbor gesprochen«, sagte er am Telefon zu Grace. »Keine Sorge, ich bin nicht in die Einzelheiten gegangen. Ich habe ihnen nur gesagt, wir hätten hier einen unwillkommenen Gast, damit sie die Augen aufhalten können.«
»Die wollten doch bestimmt mehr wissen als nur das, oder?«, hakte Grace zweifelnd nach.
»Ich habe ihnen eine Halbwahrheit aufgetischt und gesagt, es wäre eine Familienangelegenheit. Das haben sie verstanden.«
Im Laufe der Jahre hatten Sam und Grace eine Reihe guter Beziehungen auf den Inseln aufgebaut. Dabei hatte Sam sich damals, 1998, als sie noch nicht zusammengelebt hatten, Sorgen gemacht, dass einige Leute hier vielleicht nicht so gerne einen schwarzen Detective in ihrer Mitte sehen würden, auch wenn er mit einer Psychologin zusammen war, die als Säule der Gemeinde galt. Doch diese Sorgen hatten sich rasch zerstreut, denn die Leute hatten ihn beinahe von Anfang an willkommen geheißen.
Nun hoffte er, dass ihre freundlichen, gut erzogenen Nachbarn nicht gesehen hatten, wie er Cooper heute Morgen in den Arsch getreten hatte.
Andererseits, hätten sie auch nur ein bisschen über den Bastard gewusst, sie hätten Sam vermutlich applaudiert.
Was Barun Adani wohl nicht tun würde, wenn er heute Nachmittag in Sams Büro kam. Adani hatte früher am Tag angerufen und um ein Gespräch gebeten.
Allerdings gab es keinerlei Fortschritte, was die Ermittlungen im Mord an Baruns Bruder betraf.
Auch das bereitete Sam Übelkeit.
36
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte Claudia ihre Schwester beim Mittagessen.
Seit Coopers Besuch hatte sie sich die meiste Zeit in Cathys Zimmer versteckt. Vor einer halben Stunde hatte Grace sie geholt, und nun saßen sie am Küchentisch. Joshua hockte auf seinem Hochstuhl zwischen ihnen.
»Es ist wohl an der Zeit, Daniel anzurufen«, sagte Grace, »und ihm zu sagen, was passiert ist.«
»Am Telefon?« Claudia war entsetzt. »Das kann ich ihm nicht antun.«
Grace wartete, bis Joshua den letzten Löffel Haferbrei heruntergeschluckt hatte; dann gab sie ihm den nächsten. »Ich glaube, dir bleibt keine Wahl.«
Claudia schwieg und rührte den Avocadosalat nicht an, den sie für sich und ihre Schwester gemacht hatte. Bei dem Gedanken an die Fotos wurde ihr übel, und bei der Vorstellung, dass Robbie oder Mike sie sehen könnten, hätte sie am liebsten losgeschrien.
»Selbst wenn Jerome die Sache mit dem Geld aufgegeben hat«, fuhr Grace fort, »ist ihm zuzutrauen, dass er deine Söhne aus purer Boshaftigkeit aus der Fassung bringen will. Das kannst du nicht riskieren, ohne Daniel vorher zu warnen.«
Claudia stellte sich Robbie an seinem Computer vor, wie er seine E-Mails abrief und ...
Sie gab einen leisen, erstickten Schrei von sich, stieß den Stuhl zurück und rannte aus der Küche.
»Baba«, sagte Joshua, nahm einen weichen Bagel vom Tablett an seinem Stuhl und wedelte damit vor Grace’ Gesicht. »Baba nuga!«
»Da hast du vollkommen recht, mein Süßer«, sagte seine Mutter. Claudia so leiden zu sehen schmerzte sie.
Egal was Claudia nun tun würde – ihr standen schwere Zeiten bevor.
Und weder Grace noch Sam konnten ihr helfen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Daniel am Telefon.
»Ja«, log Claudia. »Aber ich vermisse euch.«
Sie war direkt in Cathys Zimmer gegangen, um sofort anzurufen; dabei wusste sie bereits, dass sie es nicht über sich bringen würde, die Wahrheit zu erzählen.
»Vielleicht solltest du wieder nach Hause kommen.« Daniel hielt kurz inne. »Vielleicht kann Grace ja zur Abwechslung mal uns besuchen.«
»Sie hat Joshua«, erwiderte Claudia. »Das ist nicht so einfach.«
»Viele Mütter reisen mit ihren Babys«, sagte Daniel, »und wenn Sam sich nicht frei nehmen kann, sollte das auch nicht allzu viel ausmachen. Er hat immer einen ziemlich selbstständigen Eindruck auf mich gemacht.«
»Okay, ich rede mit den beiden«,
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