Shimmer
Bürokratie geht. Wir müssen dafür sorgen, dass nichts übersehen wird – nicht von Seiten der Pathologie und auch nicht von uns. Nur so können wir denjenigen schnappen, der Ihrem Bruder das angetan hat.«
»Aber könnten Sie nicht wenigstens mit ihnen reden?«, hakte Barun nach.
»Natürlich«, antwortete Sam. »Kein Problem.«
»Wir wollten ohnehin noch einmal mit Ihnen sprechen«, lenkte Martinez das Gespräch in eine andere Richtung, »um mehr über Sanjiv zu erfahren.«
»Je mehr wir über ihn wissen, desto besser«, fügte Sam hinzu. »Über die Gewohnheiten Ihres Bruders, die Orte, an denen er sich gerne aufgehalten hat, seine Hobbys und so weiter.«
»Wir brauchen Listen«, sagte Martinez, »von seinen Lieblingsrestaurants, Bars und Nachtclubs, sogar von den Geschäften, in denen er bevorzugt eingekauft hat.«
»Auch die Namen von Freunden sind wichtig«, sagte Sam, »oder von alten Bekannten, mit denen er in Verbindung gestanden hat.«
»Wir brauchen den Namen jeder Person, die einen Groll gegen Ihren Bruder hätte hegen können, aus welchen Gründen auch immer«, erklärte Martinez.
»Sanjiv hatte keine Feinde«, sagte Barun. »Da bin ich mir sicher.«
»Vermutlich haben Sie recht«, sagte Sam, »aber wir versuchen, uns ein Bild vom Leben Ihres Bruders zu machen. Auch die ganz gewöhnlichen Dinge können von großer Bedeutung sein.«
Sam mochte den Mann, und er glaubte, Martinez ging es genauso. Natürlich war es völlig egal, ob sie die trauernden Hinterbliebenen in einem Mordfall mochten oder nicht, doch Sympathie konnte sie durchaus in ihrer Entschlossenheit stärken.
Und in diesem Fall taten sie definitiv nicht genug für diesen Mann und seine Familie.
38
Es war das erste Mal seit dem Mord, dass Sam es zu einer vernünftigen Zeit nach Hause schaffte.
Grace erzählte ihm, Claudia sei nach oben gegangen, um sich ein wenig hinzulegen. Sie habe gesagt, sie hätte Kopfschmerzen und keinen Appetit. Joshua schlief tief und fest.
Sam hatte Grace ganz für sich allein.
»Ich habe dich vermisst, Gracie.« Sam lehnte sich neben seiner Frau an die Wand und schaute zu, wie sie den Spinat wusch; dann griff er rasch nach ihrer linken Hand, hob sie an die Lippen und küsste ihre Finger.
»Ich habe dich auch vermisst«, sagte sie.
»Wie kommt unser Sohn in dieser Atmosphäre zurecht?«, fragte Sam leise.
»Er ist großartig«, antwortete Grace. »Er liebt seine Tante. Und sie gibt sich alle Mühe, sich in seiner Gegenwart nichts anmerken zu lassen.«
»Claudia ist eine gute Mutter«, bemerkte Sam.
»Zweitausend Meilen von ihren eigenen Söhnen entfernt«, ergänzte Grace.
»War das jetzt ein Tadel oder Mitgefühl?«
»Ein wenig von beidem vielleicht.«
Der Tisch war bereits gedeckt. Sam schnappte sich den Korkenzieher, öffnete eine Flasche Sangiovese, schnüffelte am Korken und stellte die Flasche dann ab, um den Wein atmen zu lassen. Mit einer hervorragenden Köchin verheiratet zu sein, die überdies italienische Wurzeln hatte, war sehr von Vorteil, wenn man gerne gut aß. Das wusste Sam schon ewig, nur dass er heutzutage mehr trainieren musste als früher, um bei dem guten Essen in Form zu bleiben. Zwar achtete Grace auf gesunde Ernährung, doch Leckereien wie Kürbisravioli und Agnolotti mit Spinat und Käse, die sie dann und wann bei Laurenzo auf der West Dixie kaufte, hatten eine schier unerhörte Zahl von Kalorien. Nach so einem Mahl war ein hartes Workout Pflicht.
Nicht, dass Sam sich beschwert hätte.
Er schnitt das Ciabatta, brachte Brot und Salat zum Tisch und schenkte den Wein ein. Grace brachte den Rest des Abendessens und setzte sich neben ihn. Sie lächelte, als sie sah, wie Sam sich auf das Essen freute und sich allmählich entspannte. Grace servierte. Ihr Haar war noch immer golden und fühlte sich wie Seide an, wenn Sam mit den Fingern hindurchfuhr – und das wurde er niemals müde. Dieser Tage war es ein wenig kürzer geschnitten als sonst, aber noch immer lang genug, um es zurückzubinden oder hochzustecken, und jede Frisur schien einen anderen Aspekt von ihr zu betonen.
Sam liebte jeden einzelnen.
Heute Abend hatte Grace die Haare locker hochgesteckt. Ein paar Strähnen waren herausgefallen und strichen ihr über den Nacken. Das war verdammt sexy.
»Das ist wunderbar«, sagte Sam.
»Gut.« Grace hatte Polpettone gemacht, einen Hackbraten auf toskanische Art, den sie gerne als Trostessen machte. »Auch wenn ich es teilweise für Claudia gekocht habe.«
Sams
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