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Shimmer

Shimmer

Titel: Shimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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geblieben, jedes bisschen Intelligenz von Schmerz verdrängt.
    Aber es war kein körperlicher Schmerz, was ihm so zusetzte. Das Stechen in seinem Nacken und den Schultern hatte er verdient, auch wenn es schlimm genug war, dass er auf der Baby bleiben musste und nicht in sein Versteck zurückkehren konnte. Doch der Gestank der Bleiche unten in der Kabine war noch viel schlimmer als der Schmerz, denn er brachte alles wieder zurück: die Erinnerung an das, was er getan hatte und an das, was ihm selbst angetan worden war. Das alles schien nun eins zu sein – eine einzige überwältigende Qual, die zu tief in seine Seele eingebrannt war, als dass er sie hätte besiegen können.
    Cal kannte nur eine Methode, diese Erinnerungen zumindest für einige Zeit zu verdrängen – abgesehen davon, sich umzubringen, was er niemals tun würde, jedenfalls jetzt noch nicht.
    Also griff er zu der großen Scheuerbürste, mit der für gewöhnlich das Deck gereinigt wurde und deren harte Borsten nun voller Fetzen dreier Menschen waren. Dann zog er die Sachen aus, die er sich gerade erst übergestreift hatte, nachdem er ...
    Denk nicht darüber nach , ermahnte er sich.
    Alle Bilder waren noch da und brannten in seinem Verstand.
    »Bitte«, sagte Cal und brach in Tränen aus. »Ich will nicht.«
    Du musst , sagte Jewel in seinem Kopf.
    Und so nahm Cal die Bürste und tat es noch einmal. Er öffnete seine eigenen, noch immer frischen Wunden und stopfte sich sein T-Shirt in den Mund, um die Schreie zu ersticken, die kommen würden, wenn er den Kanister mit der Bleiche nahm und über sich goss.

51
     
    Sam war um Viertel nach acht im Büro, als sein Handy mit einem Vibrieren das Eintreffen einer neuen Textnachricht verkündete.
    Sie stammte von Mildred, die ihm mitteilte, sie habe ihren silbernen Engel wiedergesehen.
    Tatsächlich habe ich ihn sogar zweimal gesehen, auch wenn er am Montagmorgen nicht silbern war.»Ich werde mir später zehn Minuten Zeit nehmen und das überprüfen«, sagte Sam zu Martinez.
    »Sie ist eine alte Dame«, erwiderte Martinez. »Vielleicht bildet sie sich das ja nur ein.«
    »Sie ist fester in der Realität verhaftet als die meisten von uns«, erklärte Sam.
    Da Claudias Handy noch immer abgeschaltet war, wusste Grace nicht, was sie tun sollte.
    Sie hatte Mitleid mit ihrer Schwester, die sich einer traumatische Konfrontation würde stellen müssen, und sie reiste allein und hatte mit Sicherheit schreckliche Angst. Trotzdem war Grace zugleich stolz auf Claudia, denn sie hatte eine Entscheidung getroffen und handelte danach. Und Grace akzeptierte, dass ein weiterer Aufschub für Claudia inakzeptabel gewesen war.
    Ja, Grace war stolz auf Claudia und hatte zugleich Angst um sie.
    Grace wünschte sich, sie hätte ihrer Schwester sagen können, wie stolz sie auf deren Mut war, denn sie kannte Claudia gut genug, um zu wissen, dass ihr ein bisschen Anerkennung helfen würde; doch im Augenblick konnte sie nur eines für Claudia tun: warten.
    Ohne Claudia wirkte das Haus seltsam leer. Das war ein guter Grund für Grace, selbst wieder mit der Arbeit anzufangen – allein schon, um Claudia eine Zeitlang aus ihren Gedanken zu verdrängen. Allerdings galt es noch ein paar andere Hürden zu überwinden, bevor sie endlich wieder regelmäßig das machen konnte, was sie gerne tat und worauf sie sich verstand.
    Das Telefon klingelte, und Grace nahm ab.
    »Grace? Ich bin es, Magda.«
    »Magda! Du musst Gedanken lesen können«, sagte Grace. »Ich habe gerade hier gesessen und überlegt, ob ich nicht ein paar Sitzungen bei dir einlegen sollte, bevor ich selbst wieder Patienten annehme.«
    »Sollen wir direkt einen Termin machen?«, kam Magda ohne Umschweife auf den Punkt.
    »Klingt gut«, antwortete Grace.
    Ihre Schwester litt, doch sie stand kurz davor, einen großen Schritt nach vorn zu machen.
    Ein Silberstreifen am Horizont , dachte Grace.

52
     
    »Habt ihr das auch schon gehört, Sam?«
    Sauls Anruf kam um neun Uhr fünfzehn auf Sams Handy, weniger als zehn Minuten, nachdem sämtliche Telefone des Reviers Amok gelaufen waren.
    Es hatte eine dritte Explosion gegeben, diesmal am helllichten Tag, aber draußen auf See, irgendwo weiter nördlich.
    »Bis jetzt nicht«, sagte Sam zu seinem Bruder, »aber das ändert sich gerade dramatisch.«
    »Es war ziemlich laut da oben«, berichtete Saul.
    »Ist mit dir und Dad alles in Ordnung?«, fragte Sam.
    »Ja«, antwortete Saul. »Möchtest du, dass ich Grace anrufe?«
    »Ich habe gerade

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