Shimmer
Sam mit sanfter Stimme, »ich möchte, dass du an der Haustür auf mich wartest, während ich mich ein wenig umschaue. Aber wenn ich dir sage, du sollst von hier verschwinden, läufst du direkt zu den Nachbarn und rufst die Polizei.«
Sie hörten ein weiteres Stöhnen.
Es kam von oben.
Sam ging zu einer Schublade und zog sie auf. Sie knarrte. Als er nichts fand, was er hätte gebrauchen können, wandte er sich der nächsten Schublade zu und nahm ein langes, scharfes Messer heraus.
»O Gott!«, stieß Claudia hervor. »Sei vorsichtig!«
»Du weißt nicht, wie es oben aussieht, oder?«, fragte Sam.
Claudia schüttelte den Kopf.
»Okay«, sagte Sam. »Jetzt geh zur Haustür.«
Er wartete, bis Claudia in Position war; dann schaute er die Treppe hinauf.
Oben brannte kein Licht.
Wer immer da stöhnte, es hatte sich nicht gefährlich angehört. Doch Sam wusste aus Erfahrung, dass die Dinge oft nicht das waren, was sie zu sein schienen – und nur weil Claudia Jerome Cooper seit ihrer Ankunft nicht gesehen hatte, hieß das noch lange nicht, dass er nicht dort oben lauerte.
Sam hob den linken Zeigefinger an die Lippen, um seine Schwägerin zum Schweigen zu gemahnen, packte das Messer fest mit der rechten Hand und stieg langsam, so leise er konnte, die Treppe hinauf.
Die vierte Stufe knarrte.
Sam verharrte, hielt den Atem an. Als nichts geschah, ging er weiter. Er zögerte ein zweites Mal, als auch die siebte Stufe knarrte. Schließlich erreichte er den Absatz auf halber Strecke. Durch das schmale Fenster, das von außen wie eine Schießscharte ausgesehen hatte, sah er, dass es draußen regnete.
Sam hörte kein weiteres Stöhnen mehr und registrierte auch sonst kein Lebenszeichen.
Er stieg die letzten Stufen hinauf.
Der Flur oben wurde von vier geschlossenen Türen gesäumt, zwei links und zwei rechts.
Plötzlich war wieder das Stöhnen zu hören, diesmal leiser, schwächer.
Es kam von links, aus dem Zimmer hinter der zweiten Tür.
Sam schlich durch den Flur und öffnete die erste Tür, die ins Badezimmer führte. Vorsichtig ging er hinein, Schritt für Schritt, schaute rechts und links und schließlich hinter den Duschvorgang, hinter dem sich jedoch nur eine leere Badewanne verbarg.
Sam machte kehrt und ging zur gegenüberliegenden Tür.
Dort befand sich ein Raum mit schmalem Bett, Kleiderschrank und Postern an einer Wand. Eines gehörte zu einem Film aus den Siebzigern, an den Sam sich erinnerte: Der Mann, der vom Himmel fiel. Es zeigte David Bowie im Profil und hing zwei weiteren Bowie-Postern gegenüber, einem aus der Ziggy-Stardust-Zeit, das andere von Thin White Duke.
Das war Jeromes Zimmer, vermutete Sam. Rasch warf er einen Blick in den Kleiderschrank. Eine Jeans lag dort, ein einfaches weißes Baumwoll-T-Shirt und gut ein Dutzend leere Drahtkleiderbügel sowie ein ausgetretenes Paar Turnschuhe. Alles deutete darauf hin, dass Cooper ausgezogen und nicht nur mal eben nach Seattle und Florida geflogen war, um sich ein bisschen als Erpresser zu betätigen.
Noch einmal schaute Sam zu den Postern. Kurz fragte er sich, was einen schwächlichen, bösartigen jungen Mann an einer solchen Ikone der Popmusik faszinierte.
Plötzlich kam Sam eine Erinnerung, die tief in seinem Gedächtnis verwurzelt war.
Keine Zeit, jetzt darüber nachzudenken , ermahnte er sich. Geh weiter.
Im zweiten Zimmer auf seiner Seite des Flurs stand ein schmales Doppelbett, ordentlich gemacht und mit einer altmodischen Tagesdecke darauf. Außerdem gab es zwei Kleiderschränke aus Fichtenholz und eine Kommode, eine herzförmige Duftkerze, einen weiß angestrichenen Ankleidetisch mit rundem Spiegel, ein paar Kosmetika und eine Schachtel Kleenex. Sam wusste, dass er später noch einmal zurückkommen würde, um sich Roxanne Luccas Besitztümer genauer anzusehen.
Aber nicht jetzt.
Zuerst musste er das letzte Zimmer überprüfen.
Den Raum des Stöhners.
Entweder hatte dort jemand große Probleme oder lauerte auf ihn.
Sam blieb vor der Tür stehen, packte das Messer fester und lauschte.
Nichts.
Die Tür war abgeschlossen.
Sam bückte sich und warf einen Blick durchs Schlüsselloch. Er konnte nur graue Schatten sehen, doch der beißende Geruch schien hier stärker zu sein – jener Geruch, den er auch an seiner eigenen Brust wahrgenommen hatte.
Der Anruf im Sheriffbüro war längst überfällig.
Das Stöhnen begann erneut, lauter als zuvor.
Es war ein Mann, und er stöhnte voller Verzweiflung.
Irgendjemand brauchte
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