Shining Girls (German Edition)
Schätzchen?»
Sie winkt der plappernden Versammlung von Leuten fröhlich zu, die von dem Podium magisch angezogen werden wie Jugendliche vom Schießstand, und hüpft die Treppe hinauf. Als sie oben angekommen ist, springt sie ab, schlägt ein Rad und kommt direkt neben Joey wieder zum Stehen.
«Bombig!», sagt er beeindruckt. «Applaus für sie, Leute. Ist sie nicht süß? Ein amerikanisches Mädchen durch und durch. Süße sechzehn und noch nie geküsst. Bis … nun ja.»
«Nun ja, was?» Bei den Skeptikern hat man besonders leichtes Spiel. Wenn man sie überzeugt, hat man die Menge im Sack. Alice weiß, dass sich die Bonbonverkäufer das Großmaul merken, um den Kerl zu bearbeiten, sobald er im Zelt ist.
Joey beugt sich vom Podium hinunter. «Also? Also, also, also.» Er nimmt Alices Hand, als wollte er einen Walzer mit ihr tanzen, und schwingt sie zu der Menge herum. Sie schaut in schamvoller Bescheidenheit zu Boden, eine Hand auf die Wange gepresst, doch in Wahrheit späht sie zwischen den Wimpern auf die Zuschauer, um ihre Reaktion abzuschätzen. Sie entdeckt das junge Paar von zuvor am Rand der Menge, das Mädchen grinst, der Junge scheint argwöhnisch.
Joey senkt verschwörerisch die Stimme, sodass die Leute näher kommen müssen, um ihn zu verstehen. Er dreht Alice auf dem Podium im Kreis. «Es stimmt, nicht wahr, dass es eine gewisse Sorte Männer gibt, denen es gefällt, die Unschuld zu zerstören. Sie zu
pflücken
, wie man sich eine reife Kirsche vom Baum holt.» Er streckt den Arm aus, um eine vorgestellte Frucht zu seinem Mund zu ziehen und genießerisch hineinzubeißen. Er lässt den Moment anhalten, zieht ihn hin, und dann wirbelt er unvermittelt herum und deutet mit seinem Stock auf die erste Treppenstufe.
«Oder was ist mit der jungen Hausfrau, die von unnatürlichen,
unkontrollierbaren
Lüsten gequält wird?» Eva schiebt sich durch den Vorhang. Sie trägt einen Bademantel, den ein Gürtel zusammenhält, und eine perlenbesetzte Augenmaske, und sie legt die Hand auf die Brust. Joey schüttelt den Kopf, scheinbar bekommt er nicht mit, dass sie angefangen hat, an ihrer Kleidung herumzunesteln und sich über den Busen zu reiben.
«Diese arme junge Frau, die eine Maske trägt, um den letzten Rest ihrer Würde zu bewahren, ist das bedauernswerteste aller Geschöpfe, denn sie ist ihren verderbten Phantasien vollkommen ausgeliefert. Eine Nymphomanin, Ladies and Gentlemen!» In diesem Moment lässt Eva ihren Bademantel fallen und enthüllt das Nachthemd aus Spitze, das sie darunter trägt, und Joey, entsetzt von diesem Anblick, hastet zu ihr, um ihr den Bademantel wieder über die Schultern zu legen.
«Holde Damen, werte Herren. Dies ist
keine
von diesen
vulgären
Schaustellerdarbietungen, mit denen Sie gekitzelt und angeheizt werden sollen. Unsere Vorstellung soll als Warnung dienen! Vor den Gefahren der Dekadenz und der Fleischeslust und davor, wie leicht das schwache Geschlecht vom rechten Weg abkommen kann. Oder dabei die Führung übernimmt …»
«Uuund hiier koooommmt …» Vivian schlägt die Vorhänge auseinander und stolziert heraus. Sie trägt hellroten Lippenstift und einen Bleistiftrock, das Haar hat sie zu einem Knoten hochgesteckt. «Das Flittchen! Das Luder! Die Hure. Die niederträchtige Verführerin! Die ehrgeizige junge Büroangestellte, die ein Auge auf den Chef wirft. Die sich zwischen Mann und Frau drängen will. Ihr Frauen, lernt, wie ihr sie erkennen könnt. Männer, lernt, wie ihr ihnen widerstehen könnt. Diese wollüstige Jägerin mit Lippenstift ist eine Bedrohung für unsere Gesellschaft!»
Vivian starrt in die Menge, eine Hand auf die Hüfte gestützt, während sie mit der anderen die Haarnadeln löst, sodass ihr Haar in weichen Wellen über ihre Schultern fällt. Anders als die arme, leidende Nymphomanin Eva führt sie ihre Lust mit demselben Stolz vor wie andere Frauen ihren Nerzmantel.
Joey treibt das Spiel weiter. «All das und mehr, wenn Sie hereinkommen! Sie erhalten eine Unterweisung darin, wie man moralischer Verderbtheit aus dem Weg geht. Prostituierten und Drogensüchtigen! Frauen, die zum Opfer ihrer eigenen, bebenden Gelüste werden! Unersättliche schwarze Witwen und die befleckte junge Unschuld!»
Für das Teenagerpaar ist das alles zu viel, und der Junge zieht das Mädchen zu anderen Unterhaltungen weg, anständigeren, dem bösen Blick nach zu schließen, den er ihnen zuwirft. Die anderen Frauen auf der Bühne sind gegen diese Verachtung schon
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