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Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen

Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen

Titel: Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
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trat an einen Schreibtisch, wo sie den Telefonhörer abhob und eine Kurzwahlnummer eingab. Sie sprach einige Minuten lang in die Muschel, legte dann auf und ließ die Hand ein paar Sekunden länger als nötig auf dem Hörer ruhen, als zögerte sie, die Verbindung zu unterbrechen.
    »Sie haben erwähnt, Courtney, oder vielmehr Mary, hätte erwogen, Nonne zu werden«, sagte Montoya, als Virginia wieder auf dem Zweiersofa Platz nahm, nach ihrer Handtasche griff und ihr ein Papiertaschentuch entnahm. »Wann hat sie sich denn entschlossen, einem Orden beizutreten?«
    Clyde runzelte die Stirn. »Vor sechs oder vielleicht auch acht Monaten, glaube ich.« Nach Bestätigung suchend sah er seine Frau an.
    »Zu Weihnachten im letzten Jahr.« Virginia zerknüllte das Papiertuch und blickte starr aus dem Fenster, als könnte sie so ihre Tochter zwingen, endlich in der Einfahrt zu erscheinen. »Da hat sie den Nonnenorden von Our Lady of Virtues aufgesucht.«
    Irgendetwas in Montoyas Gehirn machte Klick.
    »Das ist wenigstens in der Nähe«, fuhr die Mutter des Mädchens fort. Montoyas Eingeweide schienen sich zusammenzuziehen. »Wir haben auch eine gewisse Beziehung zu diesem Orden. Clyde war Stationsarzt in der Anstalt, und ich war Sozialarbeiterin. Wir haben uns dort kennen gelernt.« Ihr Lächeln war flüchtig und erlosch gleich wieder. »Sie reißen das alte Krankenhaus jetzt ab, aber die Nonnen bleiben weiterhin in ihrem Kloster. Ich habe gehört, dass dort Mietwohnungen und Einrichtungen für betreutes Wohnenentstehen sollen, und da die meisten Nonnen langsam alt werden, sollen sie dort freie Unterkunft und Verpflegung bekommen. Allerdings erst, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können oder der Orden die Betreuung nicht mehr gewährleisten kann.« Virginia schloss die Augen, seufzte und knüllte weiterhin das Papiertaschentuch in ihren Händen.
    Montoya hatte vom Abriss des alten Krankenhauses gehört. Seine eigene Tante war vor Jahren dem Orden beigetreten und gehörte ihm immer noch an.
    Clyde sagte: »Wir haben sie gebeten, zunächst ein Jahr das College zu besuchen, bevor sie ihr Gelübde ablegt, aber … sie war bereits fest entschlossen.«
    »Wissen Sie, warum?«
    Clyde zögerte. Zupfte an seinem silbernen Bart und warf einen Blick auf seine Frau. »Sie hatte das Gefühl, dass Gott zu ihr gesprochen hätte.«
    »Persönlich?«
    »Ja.« Er nickte und wandte den Blick ab.
    Also war die Möchtegern-Schwester Mary alias Courtney vielleicht doch nicht ganz so normal.
    »Ich weiß, wie sich das anhört, Detective. Ich arbeite ständig mit Menschen, die Stimmen hören …«
    »Das ist doch nicht das Gleiche!«, fiel Virginia ihm ins Wort.
    »Mary … sie hat geglaubt, Gott antworte auf ihre Gebete, das ist alles. Sie war doch nicht schizophren, um Himmels willen!« Virginia presste missbilligend die Lippen zusammen. »Sie ist ein ganz normales, geistig gesundes, liebenswertes Mädchen.«
    Genau. Wie Jeanne d’Arc.
    Clyde legte den Arm um die Schultern seiner Frau.
    Montoya fragte: »Hatte sie mal einen Freund?«
    »Nichts Ernstes.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Könnte es sein, dass jemand an ihr interessiert war, den sie aber nicht erhört hat?«
    »Mary versteht sich mit allen Menschen gut, Officer«, sagte Virginia. »Zwar hätte sie jede Menge Freunde haben können, an jedem Finger zehn, aber sie wollte nicht. Sie hatte sich bereits Gott versprochen. Deswegen trägt sie diesen Ring.«
    »Einen Ring?«
    »Sie trägt ihn an der linken Hand«, erklärte Clyde, und Montoya sah unvermittelt den abgeschürften, misshandelten Finger des Opfers vor seinem inneren Auge.
    Virginia fügte hinzu: »Während andere Mädchen einen Ring von ihrem Freund oder einen Verlobungs- oder Ehering tragen, hat sich Mary diesen Gelöbnisring angesteckt. Sie hat ihn sich selbst zu ihrem achtzehnten Geburtstag ausgesucht, dem Tag, an dem sie sich dem Vater versprach.«
    »Also Gott.«
    »Natürlich.« Virginia straffte die Schultern, als machte sie sich bereit, ihr Kind zu verteidigen.
    Montoya wusste nicht, was er sagen sollte. Die Situation wurde von Minute zu Minute merkwürdiger. Er blickte noch einmal zu dem Porträt auf. Das Mädchen hatte sich in Pose gestellt und die Hände auf der Rückenlehne eines Sofas gefaltet. Genau, am Ringfinger der linken Hand trug sie einen filigranen goldenen Ring mit einem einzelnen, eckig geschliffenen roten Stein.
    »Sie wollte also nicht heiraten?«
    »Was? Nein! Natürlich nicht.« Virginia

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