Shiver - Meine Rache Wird Euch Treffen
sexy und verwirrend gewesen wäre …
Halt, Abby. Du kannst es einem Mann nicht verübeln, wenn er seine Arbeit tut oder ein ansprechendes Äußeres hat
.
»Verdammt!« Sie schleuderte die Bettdecke von sich.
Erst jetzt sah sie auf die Uhr. Sechzehn Minuten nach vier. Eigentlich zu früh, um aufzustehen.
Montoyas Warnung hallte durch ihren Kopf.
Schließen Sie die Türen ab. Schalten Sie die Alarmanlage ein, falls Sie eine besitzen. Wenn nicht, rufen Sie einen Sicherheitsdienst an und lassen Sie unverzüglich eine installieren
.
»Ich habe nun mal keine«, sagte sie leise zu sich selbst.
Immer noch aufgewühlt wälzte sie sich aus dem Bett und tappte barfuß durchs Haus, prüfte alle Türen und vergewisserte sich, dass sämtliche Fenster fest verschlossen waren. Hershey trottete hinter ihr her. Ihre Krallen kratzten auf dem Holzfußboden.
Vielleicht hatte Montoya nicht ganz Unrecht. Im Augenblick hing ihre Sicherheit von einer freundlichen Labradorhündin ab, die keiner Fliege etwas zuleide tat, von einem Revolver, den sie nie benutzte, und darüber hinaus lediglich von ihrem eigenen Verstand. »So bist du verloren, Abby«, schalt sie sich selbst. Auf der Innenseite der Fenster klebten zwar Sticker, die behaupteten, das Haus sei durch eine Alarmanlage mit direkter Verbindung zur Polizei gesichert, doch das war eine Lüge, die auf das Konto des Vorbesitzers ging. Falls jemand in das Haus einbrach, war Abby auf sich allein gestellt.
»Reiß dich zusammen«, rief sie sich zur Ordnung und ging in die Küche, wo sie ein Glas aus dem Schrank nahm und den Wasserhahn aufdrehte. Während sie sich das gefüllte Glas zunächst an die Stirn hielt und es dann zur Hälfte austrank,blickte sie hinaus. Sie sah ihr bleiches Spiegelbild im Fenster über der Spüle, hinter dem die undurchdringliche Dunkelheit des Waldes alles verbarg, was womöglich dort lauerte und sie beobachtete.
Und wer sollte das sein, Abby?
Leidest du jetzt unter Verfolgungswahn?
Wie sie?
Wie Faith?
Vergiss nicht, die Krankheit deiner Mutter begann mit einfachem Misstrauen und entwickelte sich dann rasch zu umfassendem Argwohn und der Vorstellung, verfolgt zu werden. Geschieht mit dir jetzt dasselbe?
»Nein!« Wütend goss sie den letzten Schluck Wasser ins Spülbecken.
Wie die Mutter, so die Tochter
.
»Ach, sei still.«
Du führst Selbstgespräche, Abby? Hat sie das nicht auch getan? Hast du sie nicht selbst in der Küche gesehen, wo sie vor sich hin murmelte, mit sich selbst sprach? War es nicht genau das, worüber sich die Kunden in dem Antiquitätenladen beschwert hatten?
Abby ließ das leere Glas auf der Arbeitsplatte stehen und wehrte sich gegen die Stimme in ihrem Kopf. Sie würde
nicht
wie ihre Mutter werden.
Aufgewühlt, wie sie noch immer war, wusste sie, dass sie nicht wieder würde schlafen können, und so beschloss sie, in der Dunkelkammer die Fotos anzusehen, die sie entwickelt hatte – in erster Linie, um sich selbst zu beweisen, dass sie keine Angst davor hatte, sich allein in diesem Haus aufzuhalten. Sie zog ein langärmliges Hard-Rock-Café-T-Shirt an und griff nach ihren Schlüsseln. Dann pfiff sie nach dem Hund und ging durch die Küche nach draußen auf die hintereVeranda, wo die Ochsenfrösche quakten und Grillen zirpten. Ganz kurz ließ sich der Mond zwischen den Wolken blicken. Abby schloss die Tür hinter sich ab und ließ Hershey zur Bewachung des Hauses zurück. Schon nach zehn Schritten betrat sie ihr kleines Atelier.
Die dazugehörige Dunkelkammer war kaum mehr als ein mit Wasseranschluss ausgestatteter Wandschrank. In Regalen waren Papier, Flaschen, Zangen, Chemikalien und Becken für die verschiedenen Stadien des Entwicklungsprozesses untergebracht.
In letzter Zeit hatte sie Fotos kaum noch selbst entwickelt, weil sie das Labor neben ihrem Studio in der Nähe des Jackson Square nutzte. Für kommerzielle Arbeiten griff sie hauptsächlich auf ihre Digitalkamera und den Computer zurück. Was jedoch ihre persönlichen Schwarzweißfotos anging, zog sie es vor, sie eigenhändig zu entwickeln.
Die Arbeit wirkte beruhigend. Tröstlich. Und schließlich hatte sie Trost und Beruhigung verflixt nötig.
Vor ein paar Tagen hatte sie die Negative jener Filmrolle bearbeitet, die sie in ihrer alten 35-Millimeter-Kamera gefunden hatte. Kurz nach der Scheidung von Luke hatte sie sich eine neue Kamera gekauft. Neugierig darauf, was sich wohl auf dem ersten Teil des alten Films befand, hatte sie die restlichen Fotos erst vor
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