Shkarr (German Edition)
einer zweiten Decke. Morgen würde er eine besorgen in der Hoffnung, dann endlich auch damit am nächsten Morgen aufzuwachen. Meist fand er sich in einer Art Nest wieder, zugedeckt mit dem Schwanz und dem Fell des Kanarras, dessen Pfoten besitzergreifend um ihn geschlungen.
Krischan wollte aus jahrelanger Gewohnheit noch ein paar Silence-Kapseln einnehmen. Es befand sich jedoch keine einzige mehr in seinem Appartement.
Jedes Mal, wenn er sich neue beschafft hatte, verschwanden sie spurlos. Natürlich hatte er korrekterweise Shkarr im Verdacht. Einen Beweis hatte er aber natürlich ebenso wenig. Krischan versuchte es am Anfang mit Verstecken. Aber es half nichts. Weder herumschreien, noch bitten oder betteln, brachten den Kanarra dazu, die Kapseln nicht zu vernichten. Vorwürfe brachten ihn erst recht nicht aus der Ruhe. Meist ließ er Krischans Tirade ungerührt über sich ergehen; blinzelte ab und an, fokussierte für Sekunden den aufgeregt gestikulierenden Menschen mit seinen grünen Augen. Dann streckte er sich und entspannte sich wieder.
Die ersten Nächte ohne Einschlaf- und Aufwachhilfe waren furchtbar gewesen. Krischan hatte nicht schlafen können. Nervös war er durch seine Wohnung gelaufen, setzte sich dann und wann, nur um Sekunden später wieder wie aufgezogen herumzuwandern. Die darauf folgenden Tage waren durch den Schlafmangel nicht besser gewesen. Ein Zombie besaß mehr Lebenskraft, als er bei seinem Entzug besessen hatte.
Shkarr schien das wenig gestört zu haben, zumindest zeigte er keine Reaktion. Auch seine Gedanken blieben Krischan verborgen.
Nach einer Woche beruhigte sich Krischans Körper, und er schlief endlich erschöpft ein.
Mittlerweile brauchte er keine Kapseln mehr als Einschlafhilfe und als Wecker eignete sich Shkarr hervorragend. Dieser hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Krischan pünktlich zu wecken und zeigte dabei ungeahnte Ausdauer und Penetranz, sodass Krischan nicht selten vorher erwachte, um dessen rauen Attacken zu entgehen.
Doch der Mangel von Einschlafhilfen, oder auch deren Vorhandensein, half ihm im Moment nicht dabei, ein allabendliches Problem zu lösen: Wie konnte er einigermaßen seine Würde wahrend ins Bett gelangen? Entschlossen, sich nicht abweisen zu lassen, zog Krischan ein Stück Decke unter dem Kanarra hervor, der noch immer in der Pose eines Eroberers auf seinem Bett stand.
„Schlafen!“, befahl Krischan. In der Zwischenzeit hatte er schon mitbekommen, dass der Kanarra des Nachts nicht wirklich schlief. Vielmehr ruhte und schlief er im Laufe des Tages, ab und an unterbrochen von Phasen der Hygiene und des Fressens. Nur wenn er im Datennetz recherchierte, vergaß er alles und vernachlässigte seine Bedürfnisse.
Großmütig rückte Shkarr ein wenig zur Seite und ließ seinen Mitbewohner ins Bett krabbeln. Müde zog Krischan sich die Decke über den Kopf und schob sie dann wieder hinunter. Unverwandt schaute er den Kanarra an, der wie eine Sphinx dasaß und genauso viel Geheimnisvolles ausstrahlte.
„Ich werde mich mal ein wenig umhören“, nahm Krischan das Thema wieder auf. „Ich habe Zugang zu Bereichen, in die man normalerweise nicht hineinkommt. Mal sehen, was ich in Erfahrung bringen kann. Jetzt ist es auch egal, ob ich damit meinen Job riskiere, da mich meine Firma ganz sicher feuert. Von meinen Ersparnissen können wir eine Weile leben. Also kein Problem! Ich werde mir morgen deine Zusammenfassung auf den Planer runterladen, es könnte also interessant werden ...“
Shkarr betrachtete den Menschen, dann schnurrte er leise: ‚Der Job ist wichtig, stimmt’s? Ich denke, das Prinzip habe ich verstanden. Der Job ermöglicht, dass dieser Unterschlupf dir gehört und du Essen besorgen kannst. Kann noch mehr passieren, als dass du deine Arbeit verlierst?‘
Krischan rutschte etwas unbehaglich herum.
‚Genau das weiß ich im Moment nicht. Es kommt darauf an. Aber da wir so kaum etwas herausbekommen werden, wenn wir nichts riskieren, bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Mach dir also keine Sorgen! Ich werde mich eben einfach nicht erwischen lassen.‘
„Licht aus!“, rief er laut, und der Computer löschte das Licht.
Der Kanarra trippelte kurz mit den Füßen, dann zog er Krischan in die Mitte des Bettes und legte sich der Länge nach an dessen Seite. Krischan ließ das mit einem Knurren über sich ergehen. Manchmal war ihm die Nähe und Wärme des Fellknäuels zu viel. Aber Widerspruch brachte selten Erfolg, wie er schon festgestellt
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