Shogun
Augenblick …«
»Das werde ich auch. Sobald die Sitzung des Regentschaftsrats vorüber ist.« Toranaga drehte sich um und winkte einem schmalgesichtigen Portugiesen, der geduldig in seinem Schatten saß. »Seid Ihr bereit, jetzt für mich zu dolmetschen, mein Freund?«
»Selbstverständlich, Euer Gnaden.« Der Priester mit der Tonsur trat vor und kniete mit geübter Anmut neben der Estrade nieder. Sein Körper war genauso schmal wie sein Gesicht, seine Augen dunkel und schimmernd; er strahlte ernste Gesammeltheit aus. Er trug Tabi und ein wallendes Gewand. Ein Rosenkranz und ein goldenes Kreuz hingen von seinem Gürtel herab. Er grüßte Hiro-matsu wie einen Gleichgestellten, um dann seinen Blick freundlich Blackthorne zuzuwenden.
»Ich heiße Martin Alvito und bin von der Gesellschaft Jesu, Käpt'n-Pilot. Herr Toranaga hat mich gebeten, für ihn zu dolmetschen.«
»Dann sagt ihm als erstes, daß wir Feinde sind und daß …«
»Alles zu seiner Zeit«, fiel ihm Pater Alvito nicht unfreundlich ins Wort. »Wir können portugiesisch, spanisch oder auch lateinisch miteinander reden – was Euch am liebsten ist.«
Blackthorne hatte den Priester erst bemerkt, als dieser vorgetreten war. Die Estrade und die anderen Samurai hatten ihn seinem Blick entzogen. Allerdings hatte er ihn erwartet, Rodrigues hatte ihn ja vorgewarnt – und was er sah, erfüllte ihn mit Abscheu: die ungezwungene Eleganz, die Aura von Stärke und natürlicher Macht der Jesuiten. Er hatte sich den Priester in dieser einflußreichen Stellung und nach der Art, wie Rodrigues von ihm gesprochen hatte, viel älter vorgestellt. Praktisch waren sie jedoch gleichaltrig. Höchstens, daß der Pater ein paar Jahre älter war als er.
»Portugiesisch«, sagte er in der ingrimmigen Hoffnung, daß ihm das einen leichten Vorteil verschaffen könne. »Ihr seid Portugiese?«
»Ich habe diese Ehre.«
»Ihr seid jünger, als ich erwartet habe.«
»Senhor Rodrigues ist sehr gütig und traut mir mehr zu, als ich es verdiene. Euch hat er genau beschrieben. Und von Eurer Tapferkeit gesprochen.«
Blackthorne sah, wie er sich umdrehte und fließend und ungezwungen eine Weile mit Toranaga redete, und das verstörte Blackthorne noch weiter. Von allen Männern im Raum hörte einzig Hiro-matsu aufmerksam zu und ließ ihn keinen Moment aus den Augen. Alle anderen starrten steinern vor sich hin.
»Jetzt, Käpt'n-Pilot, werden wir anfangen. Ihr werdet bitte alles genau anhören, was Herr Toranaga fragt, und nicht unterbrechen«, begann Pater Alvito. »Dann erst werdet Ihr antworten. Von jetzt an werde ich fast gleichzeitig übersetzen, was Ihr sagt; überlegt also genau, was Ihr sagt.«
»Wozu? Ich traue Euch nicht.«
Augenblicklich dolmetschte Pater Alvito für Toranaga, was er gesagt hatte; der Daimyo schien ungehalten.
Nimm dich in acht, dachte Blackthorne. Er spielt mit dir wie mit einem Fisch! Zehn Goldguineen gegen einen abgewetzten Penny, daß er dich überall hinbringt, wo er dich haben will. Ob er genau dolmetscht oder nicht, du mußt auf Toranaga den richtigen Eindruck machen! Vielleicht ist dies die einzige Chance, die du jemals bekommst!
»Ihr könnt mir vertrauen, daß ich nach bestem Vermögen alles genauso dolmetsche, was Ihr sagt.« Die Stimme des Priesters klang sanft und völlig beherrscht. »Wir sind hier am Hof von Herrn Toranaga. Ich bin offiziell bestallter Dolmetsch des Regentschaftsrats, und zwar von Herrn General Toranaga und Herrn General Ishido. Herr Toranaga beehrt mich seit vielen Jahren mit seinem Vertrauen. Ich rate Euch, wahrheitsgetreu zu antworten, denn ich versichere Euch, er ist ein sehr scharfblickender Mann. Vielleicht sollte ich Euch auch darauf hinweisen, daß ich nicht Pater Sebastio bin, der ein wenig übereifrig ist, das Japanische nicht besonders gut beherrscht und unglücklicherweise auch noch nicht viel Erfahrungen in Japan hat.« Er lächelte wohlwollend. »Das japanische Wort für ›Feind‹ ist teki ! Ihr könnt es verwenden, falls Ihr wünscht. Wenn Ihr auf mich zeigt und dieses Wort aussprecht, wird Herr Toranaga klar verstehen, was Ihr meint. Jawohl, ich bin Euer Feind, Kapitän-Pilot John Blackthorne. Bis ins Mark. Aber ich bin nicht Euer Mörder. Umbringen werdet Ihr Euch selbst.«
Blackthorne sah, wie er Toranaga erklärte, was er gesagt hatte, hörte verschiedene Male das Wort teki heraus und überlegte, ob es wohl wirklich Feind hieß. Selbstverständlich heißt es das, sagte er sich dann. Dieser Mann ist
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