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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sich an, dem nächsten das Schwert aus der Scheide zu reißen. Doch dann kam es gar nicht dazu, denn die Samurai wandten sich von der Hinrichtungsstätte weg auf die äußerste Stadtmauer zu, in Richtung auf die Straßen, die in die Stadt und auf die Burg zuführten.
    Noch konnte Blackthorne es nicht fassen: Er wagte kaum zu atmen, wollte erst richtig sicher sein. Sie gingen durch die Menge hindurch, die beiseite trat und sich verneigte, und dann standen sie auf der Straße, und es war kein Zweifel mehr möglich.
    Blackthorne fühlte sich wie neugeboren.
    Als er wieder sprechen konnte, sagte er: »Wohin gehen wir?« Abermals war es ihm gleichgültig, daß niemand ihn verstand, da er wieder englisch gesprochen hatte. Seine Füße schienen den Boden kaum zu berühren, und die Riemen seiner Sandalen empfand er nicht als unangenehm, genausowenig wie das Gefühl, einen Kimono zu tragen. Im Gegenteil, es ist sogar sehr angenehm, dachte er. Ein bißchen zu eng vielleicht, aber an einem schönen Tag wie diesem … genau das richtige fürs Achterdeck.
    »Bei Gott, es ist herrlich, wieder englisch zu sprechen«, wandte er sich an einen der Samurai. »Himmel, ich hatte schon mit dem Leben abgeschlossen. Damit ist mein achtes Leben vorbei. Ist dir das klar, alter Freund? Jetzt hab' ich nur noch eines. Na, macht nichts! Piloten haben zehn Leben – mindestens –, das hat jedenfalls Alban Caradoc immer gesagt.« Der Samurai schien zunehmend gereizt von seinem unverständlichen Gerede.
    Reiß dich zusammen, sagte er sich. Mach sie nicht noch empfindlicher, als sie es ohnehin schon sind.
    Jetzt ging ihm auf, daß alle Samurai Graue waren, Ishidos Männer also. Bei Pater Alvito hatte er sich nach dem Namen des Mannes erkundigt, der Toranagas Gegenspieler zu sein schien. Pater Alvito hatte »Ishido« gesagt, kurz bevor man ihm befohlen hatte aufzustehen und ihn fortgebracht hatte. Sind alle Grauen Ishidos Männer? Und alle Braunen Toranagas?
    »Wohin gehen wir denn? Dorthin?« Er zeigte auf die Burg, die wie eine Glucke über der Stadt zu brüten schien. »Dorthin, hai?«
    »Hai.« Der Anführer der Samurai nickte mit seinem kugelrunden Kopf. Sein Bart fing an, grau zu werden.
    Was mag wohl Ishido von mir wollen? fragte Blackthorne sich.
    Der Anführer bog in eine andere Straße ein; sie entfernten sich immer weiter vom Hafen. Dann sah er sie – eine kleine portugiesische Brigg, deren blauweiße Flagge in der Brise flatterte. Zehn Geschütze auf dem Hauptdeck, an Bug und Heck Zwanzigpfünder. Die Erasmus würde im Handumdrehen mit ihr fertigwerden, sagte Blackthorne sich. Was wohl meine Mannschaft macht? Was sie wohl in dem Dorf treiben? Beim Blute Christi, ich würd' was drum geben, sie zu sehen!
    Blackthorne und die Samurai eilten durch eine sich windende Gasse: keine Geschäfte, nur Wohnhäuser links und rechts, jedes auf eigenem Grund und Boden, versteckt hinter hohen Zäunen, und Häuser und Zäune und Gärten überraschend sauber.
    Die Leute, an denen sie vorüberkamen, verneigten sich höflich. Manche knieten sogar nieder. Gruppen von Samurai – immer nur Graue, niemals Braune – schlenderten sorglos die Straßen entlang.
    Sie gingen gerade in einer von Läden gesäumten Straße, als ihm die Beine versagten. Er stürzte hin und landete auf Händen und Füßen.
    Die Samurai halfen ihm auf, aber vorübergehend hatte er überhaupt keine Kraft mehr, und er konnte nicht weitergehen.
    »Gomen nasai, dozo ga matsu  – Tut mir leid! Wartet bitte!« sagte er. Seine Wadenmuskeln hatten sich verkrampft.
    Der Anführer der Samurai blickte auf ihn hernieder und redete lange auf ihn ein.
    »Gomen nasai, nihon go ga hanase-masen  – Tut mir leid, aber ich spreche kein Japanisch«, entgegnete Blackthorne langsam, aber deutlich. »Dozo ga matsu .«
    »Ah! So desu, Anjin-san. Wakarimasu«, sagte der Mann, der ihn verstanden hatte. Er erteilte einen kurzen Befehl, und einer der Samurai eilte davon.
    Bald darauf kam er mit vier halbnackten Kago -Männern und ihrer Kago wieder. Die Samurai zeigten Blackthorne, wie er sich in der Hängematte zurücklehnen und an der Schlaufe festhalten sollte, die von der Tragestange herunterhing. Jetzt stiegen sie breite Stufen hinauf und gelangten in ein neues Wohngebiet, das an einen dichten Wald aus hohen Bäumen grenzte. Blackthorne genoß es sehr, keine Straßen mehr zu sehen; die gepflegte Grasnarbe unter den Füßen war weich, und der Pfad wand sich durch die Bäume hindurch.
    Als sie ein

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