Shogun
Siam?«
»Nein.«
»Ach, es gibt soviel zu sehen in Asien! Diese drei Männer trieben Handel, gerieten aber in einen Taifun und wurden von ihrem Kurs abgebracht, hatten jedoch das Glück, in Tanegashima auf der Insel Kyushu zu landen. Das war das erste Mal, daß Europäer ihren Fuß auf japanischen Boden setzten, und der Handel entwickelte sich sofort. Ein paar Jahre später kam Franz Xaver, einer der Gründerväter des Jesuitenordens, hierher. Das war Anno 1549 … ein schlimmes Jahr für Japan, Señor. Es hätte einer unserer Brüder zuerst hierherkommen sollen, dann wäre uns dieses Reich zugefallen und nicht den Portugiesen. Franz Xaver starb drei Jahre später in Kathay, allein und verlassen … Hab' ich dem Señor bereits gesagt, daß es am Hofe des Kaisers von China bereits einen Jesuiten gibt, in einer Stadt namens Peking? Ach, Ihr solltet Manila sehen, Señor, und die Philippinen. Wir haben fünf Kathedralen, und beinahe dreitausend Conquistadores und an die sechstausend japanische Soldaten überall auf den Inseln und dreihundert Brüder …«
Blackthornes Kopf füllte sich mit Fakten und japanischen Wörtern und Ausdrücken. Er stellte Fragen über das Leben in Japan, die Daimyos und die Samurai, den Handel und Nagasaki, über Krieg und Frieden, über die Jesuiten und Franziskaner und Portugiesen in Asien und über Spanisch-Manila, und immer wieder über das Schwarze Schiff, das Jahr für Jahr von Macao auslief. Drei Tage und drei Nächte lang hockte Blackthorne bei Pater Domingo, fragte ihn aus und hörte zu, lernte und verbrachte die Nächte in einem Alptraum, um wieder zu erwachen, neue Fragen zu stellen und sich neues Wissen anzueignen.
Und dann, am vierten Tag, wurde sein Name aufgerufen.
»Anjin-san!«
15. Kapitel
Es herrschte tiefstes Schweigen, als Blackthorne sich erhob. »Eure Beichte, mein Sohn – legt sie schnell ab!«
»Ich … ich glaube … ich glaube nicht …« Durch den Nebel hindurch, in dem er sich zu bewegen meinte, ging Blackthorne auf, daß er englisch gesprochen hatte; folglich preßte er die Lippen aufeinander und ging davon. Der Mönch rappelte sich hoch. Er nahm an, daß Blackthorne holländisch oder deutsch gesprochen hatte, packte ihn am Handgelenk und humpelte mit ihm dahin.
»Schnell, Señor. Ich werde Euch die Absolution erteilen. Denkt an Eure unsterbliche Seele. Sagt rasch, was Ihr zu sagen habt, beichtet dem Herrn alle Missetaten, die Ihr in der Vergangenheit und in der letzten Zeit begangen …«
Mittlerweile näherten sie sich der eisernen Tür, und der Mönch klammerte sich mit erstaunlicher Kraft an Blackthorne fest.
»Sagt es jetzt! Die gebenedeite Jungfrau wird über Euch wachen!«
Blackthorne riß seinen Arm los und sagte mit rauher Stimme: »Gott sei mit Euch, Pater!« Die Tür hinter ihm fiel zu.
Der Tag war unglaublich kühl und frisch, und die Wolken wurden von einem Südostwind über den Himmel getrieben.
Er sog die herrliche reine Luft tief in die Lungen, und das Blut floß brausend durch seine Adern. Die Lebensfreude packte ihn.
Eine Reihe von nackten Gefangenen stand vor einem Beamten; Gefängnisaufsehern mit Speeren, Etas, und eine Gruppe von Samurai daneben. Der höhere Beamte trug einen dunklen Kimono und einen Überwurf mit gestärkten, flügelähnlichen Schultern. Dazu trug er einen kleinen Hut. Dieser Mann stand vor dem ersten Gefangenen und las aus einer säuberlich geschriebenen Schriftrolle etwas vor. Nachdem er geendet, setzte jeder einzelne sich hinter den Gefängnisaufsehern in Bewegung und ging auf die großen Tore des Hofes zu. Blackthorne war der letzte. Im Gegensatz zu den anderen gab man ihm ein Lendentuch, einen baumwollenen Kimono und Riemensandalen für seine Füße. Und seine Wächter waren Samurai.
Er war entschlossen gewesen, um sein Leben zu laufen, sobald sie das Tor passiert hätten, doch als er sich der Schwelle näherte, bildeten die Samurai sogleich einen dichten Ring um ihn und nahmen ihn in die Mitte. Zusammen erreichten sie das Mauertor. Eine große Menschenmenge sah zu. Einen der Männer hatte man bereits ans Kreuz gebunden, das jetzt aufgerichtet wurde. Neben jedem Kreuz wachten mit Speeren, die in der Sonne funkelten, zwei Etas.
Blackthorne verlangsamte den Schritt. Sogleich drängten die Samurai sich noch näher an ihn und trieben ihn zur Eile an. Wie benommen dachte er, daß es besser sei, jetzt gleich zu sterben, und zwar rasch. Deshalb zwang er seine Hand, nicht mehr zu zittern und schickte
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