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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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er lehnte sich erschöpft zurück. Er wartete, bis der Hauptmann der Grauen sich an die Spitze der Kolonne gesetzt hatte, und dann flüsterte er, lateinisch, und warnte sie: »Dieser Zenturio versteht die andere Sprache.«
    »Jawohl. Und etwas Latein auch, glaube ich«, flüsterte sie genauso leise zurück. »Im Ernst, Er ist ein tapferer Mann. Ich danke Ihm, daß Er ihn gerettet hat.«
    »Ihre Kühnheit übersteigt die meine.«
    »Nein, der Herrgott hat meine Füße auf die Erde gepflanzt, und ich habe mich nur ein wenig nützlich gemacht. Nochmals, ich danke Ihm.«
    Bei Nacht sah die Stadt märchenhaft aus. Die Häuser der Reichen waren von vielerlei bunten Laternen erleuchtet – von Öllampen und solchen mit Kerzen darin; sie hingen in den Torbogen und in den Gärten. Die Shoji -Wände schimmerten warm und anheimelnd. Selbst die Häuser der Armen bekamen durch die Shoji etwas Behagliches.
    »Wir brennen in den Häusern Öllämpchen und Kerzen, doch gehen die meisten Menschen bei Einbruch der Dunkelheit zu Bett«, erklärte Mariko, als sie durch die sich windenden Straßen der Stadt gingen. Die Fußgänger verneigten sich vor ihnen, und die ganz Armen blieben auf den Knien liegen, bis sie vorüber waren. Das Meer lag schimmernd im Mondschein da.
    »Das ist bei uns genauso. Wie kocht ihr? Über einem Holzfeuer?« Blackthorne hatte sich rasch wieder erholt, und seine Knie waren nicht mehr weich. Sie hatte sich geweigert, wieder die Sänfte zu besteigen, und so lag er da, genoß die Luft und die Unterhaltung.
    »Wir benutzen Holzkohlenbecken. Wir leben von anderen Speisen wie ihr, bei uns ist das Kochen einfacher. Nur Reis und etwas Fisch gibt es, den zumeist roh oder über Holzkohlenglut gegart. Dazu eine scharfe Sauce und eingelegtes Gemüse und vielleicht ein wenig Suppe. Kein Fleisch – nein, Fleisch niemals. Wir sind ein sehr genügsames Volk – nur etwa ein Fünftel unseres Bodens kann für den Ackerbau genutzt werden, und wir sind unserer doch so viele. Bei uns gilt Genügsamkeit als Tugend.«
    »Sie war mutig. Ich danke Ihr. Die Pfeile kamen nur des Schildes Ihres Rückens wegen nicht.«
    »Nein, Schiffskapitän. Das war der Wille Gottes!«
    »Sie ist mutig, und Sie ist schön!«
    Schweigend ging sie einen Augenblick dahin. Kein Mensch hat mir je gesagt, daß ich schön sei – niemand, dachte sie. »Ich bin nicht mutig, und ich bin nicht schön. Schwerter sind schön. Ehre ist schön.«
    »Auch Unerschrockenheit ist etwas Schönes; und Sie hat davon im Überfluß.« Mariko erwiderte nichts. Sie mußte an heute morgen denken und an die bösen Worte und die bösen Gedanken. Wie kann ein Mann nur so kühn und gleichzeitig so dumm sein, so zartfühlend und so grausam, so herzerwärmend und so verachtenswert – und das alles gleichzeitig? Der Anjin-san hat unerhörten Mut bewiesen, als er Ishidos Aufmerksamkeit von der Sänfte ablenkte; und er hätte nichts Klügeres tun können. Aber gib acht, Mariko, warnte sie sich. Denk an Toranaga und nicht an diesen Fremden. Halt dir vor Augen, daß er auch böse ist, und gebiete der feuchten Wärme in deinen Lenden, die du noch nie zuvor gespürt hast, Einhalt – jener Wärme, von der die Kurtisanen reden und wie sie in den Geschichten und Kopfkissen-Büchern beschrieben wird.
    »Jawohl«, sagte sie. »Unerschrockenheit ist etwas Schönes, und Er hat davon im Übermaß.« Dann kehrte sie zum Portugiesischen zurück. »Latein ist so anstrengend.«
    »Ihr habt es in der Schule gelernt?«
    »Nein, Anjin-san, erst viel später. Nachdem ich geheiratet hatte, lebte ich lange Zeit hoch im Norden. Ich war allein und hatte nur die Dienerschaft und die Leute aus dem Dorf, und die einzigen Bücher, die ich besaß, waren portugiesische und lateinische Bücher – ein paar Grammatiken, religiöse Schriften und die Bibel. Mit dem Erlernen der Sprache vertrieb ich mir die Zeit.«
    »Und wo war Euer Gatte?«
    »Im Krieg.«
    »Wie lange wart Ihr allein?«
    »Bei uns heißt es, Zeit läßt sich nicht nur auf eine Weise messen; Zeit kann sein wie der Frost oder wie ein Blitz oder eine Träne, wie ein Sturmwind, ein Orkan oder ein Sonnenuntergang, ja sogar wie ein Fels.«
    »Das ist ein sehr tiefsinniger Gedanke«, sagte er. Und dann fügte er hinzu: »Euer Portugiesisch ist sehr gut, Senhora. Und Euer Latein auch. Besser als meins.«
    »Ihr habt eine Honigzunge, Anjin-san.«
    »Das ist honto!«
    » Honto ist ein gutes Wort. Honto ist es, daß eines Tages ein christlicher Priester

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