Shogun
nein. Ich schulde ihnen nichts. Ich bin ein Gefangener. Sie haben mir mein Schiff und meine Ladung gestohlen und einen von meinen Leuten ermordet. Sie sind Heiden – jedenfalls einige von ihnen, und der Rest ist katholisch. Heiden und Katholiken bin ich nichts schuldig. Aber du begehrst sie, möchtest mit ihr ins Bett gehen, und drechselst Komplimente für sie, oder?
Gott verfluche mein Gewissen!
Das Meer war nur noch etwa eine halbe Meile weit entfernt. Er konnte viele Schiffe erkennen und die portugiesische Fregatte mit ihren Positionslaternen. Gäbe keine schlechte Prise ab! Mit zwanzig dicken Kanonen könntest du sie in deine Gewalt bringen. Er wandte den Blick wieder Mariko zu. Merkwürdige Frau aus einer merkwürdigen Familie! Warum sie Buntaro wohl gekränkt haben mag – diesen Pavian! Wie konnte sie bloß mit diesem Mann ins Bett gehen und ihn sogar heiraten? Was sollte das mit der ›Traurigkeit‹?
Mariko merkte auf einmal, wie erschöpft sie war. Ich bin es leid, Latein und das schrecklich klingende Portugiesisch zu sprechen, bin es leid, Lehrmeisterin zu spielen, sagte sie sich. Ich bin nur eine Frau, die ihre Pflicht kennt und sie in Frieden erfüllen möchte. Ich begehre diese Wärme nicht wieder und will nichts von diesem Mann, der mich so sehr aus dem Gleichgewicht bringt. Gar nichts will ich von ihm.
Sie beschleunigte ihren Schritt und ging etwas voraus, näher an die andere Sänfte heran. Die beiden Zofen lächelten nervös.
»Ist es noch weit, Mariko-san?« fragte Sono.
»Wohl nicht allzu weit«, beruhigte sie sie.
Plötzlich tauchte auf der anderen Seite der Sänfte der Hauptmann der Grauen auf. Wieviel er wohl von dem mitbekommen haben mag, was ich mit dem Anjin-san gesprochen habe?
»Möchtet Ihr eine Kago, Mariko-san? Seid Ihr müde?« fragte der Hauptmann.
»Nein, vielen Dank.« Sie ging absichtlich langsamer, um ihn von Toranagas Sänfte wegzuziehen. »Ich bin überhaupt nicht müde.«
»Und der Barbar benimmt sich? Er macht Euch weiter keine Ungelegenheiten?«
»O nein. Er scheint jetzt ganz ruhig zu sein.«
»Worüber habt Ihr gesprochen?«
»Über alles mögliche. Ich habe versucht, ihm einige unserer Sitten und Gebräuche zu erklären.« Sie zeigte zurück auf den Hauptturm der Burg, der sich klar am Nachthimmel abzeichnete. »Herr Toranaga hat mich gebeten, ihm etwas Vernunft beizubringen.«
»Ah ja, Herr Toranaga.« Der Hauptmann sah kurz nach der Burg und dann zurück zu Blackthorne. »Warum interessiert Herr Toranaga sich so sehr für ihn, Dame?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil er ein Ungeheuer ist.«
Sie bogen um die Ecke in eine andere Straße; die Häuser hier waren hinter Gartenzäunen versteckt, und es waren nur wenige Menschen unterwegs. Weiter hinten lag die Schiffslände und das Meer. Masten ragten über den Gebäuden auf, und es roch nach Tang. »Worüber habt Ihr noch geredet?«
»Sie haben ein paar sehr merkwürdige Vorstellungen. Sie denken zum Beispiel dauernd an Geld.«
»Es heißt, sein ganzes Volk bestehe aus dreckigen Händlern und Piraten. Kein einziger Samurai unter ihnen. Was will Herr Toranaga mit ihm?«
»Tut mir leid, aber ich weiß es nicht.«
»Es geht das Gerücht, er sei Christ. Jedenfalls behauptet er, Christ zu sein. Ist er das?«
»Kein Christ wie wir, Hauptmann. Ihr seid doch Christ, Hauptmann?«
»Mein Herr ist Christ, und folglich bin auch ich Christ. Mein Herr ist Kiyama-san.«
»Ich habe die Ehre, ihn gut zu kennen. Er hat meinem Gatten die Ehre gegeben, meinem Sohn eine seiner Enkelinnen zu verloben. Geht es Herrn Kiyama jetzt besser? Ich habe gehört, die Ärzte erlauben nicht, daß er Besuch empfängt.«
»Ich habe ihn schon über eine Woche nicht zu Gesicht bekommen. Keiner von uns. Vielleicht hat er die chinesische Krankheit. Gott bewahre ihn davor, und Gott verdamme alle Chinesen!« Er funkelte Blackthorne mit blitzenden Augen an. »Die Ärzte sagen, diese Barbaren hätten die Pest nach China gebracht, erst nach Macao und dann zu uns.«
» Sumus omnes in manu Dei «, sagte sie. – Wir alle ruhen in Gottes Hand.
»Ita. Amen«, erwiderte der Hauptmann gedankenlos und ging in die Falle.
Blackthorne hatte das mitbekommen, und jetzt sah er, wie Zorn sich auf dem Gesicht des Hauptmanns zeigte und wie er Mariko anzischte, die errötete und stehenblieb. Er ließ sich aus der Sänfte gleiten und ging zu ihnen zurück. »Wenn Er lateinisch spricht, Zenturio, dann wäre es sehr freundlich, wenn Er sich ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher