Shogun
ganze Hut. Unter dem Hutband versteckt war ein dünnes Stilett, noch kleiner als das andere, eine Spezialanfertigung, deren feine Stahlklinge sich mühelos der Rundung des Hutes anpaßte. Yoshinaka bellte die Samurai noch ein weiteres Mal vorwurfsvoll an.
»So wahr mir Gott helfe, ist das alles, Rodrigues?«
»Madonna … ich hab's Euch doch gesagt.«
»Schwört!«
Rodrigues tat ihm den Willen.
»Yoshinaka-san, Ima ichi-ban . Domo«, sagte Blackthorne. »Jetzt ist alles in Ordnung mit ihm. Danke.«
Yoshinaka gab einen Befehl. Seine Männer ließen den Portugiesen los. Rodrigues rieb sich die Glieder. »Was dagegen, wenn ich mich setze, Ingeles!«
»Nein.«
Der Portugiese wischte sich mit einem roten Schnupftuch den Schweiß von der Stirn, griff nach der Zinnflasche und nahm mit untergeschlagenen Beinen auf einem der Kissen Platz. Yoshinaka blieb auf der Veranda in der Nähe. Bis auf vier gingen alle Samurai wieder auf ihre Posten. »Warum sind sie denn bloß so empfindlich? Und warum seid Ihr so empfindlich, Ingeles? Ich hab' noch nie im Leben meine Waffen abgeben müssen. Bin ich ein Mörder?«
»Ich habe Euch gefragt, ob das alle Waffen wären, und Ihr habt mich angelogen.«
»Ich hab' ja gar nicht richtig zugehört. Madonna. Möchtet Ihr … möchtet Ihr festgehalten werden wie ein gemeiner Verbrecher? He, aber wartet, Ingeles? Warum sollen wir uns eine so schöne Nacht vergällen lassen? Ich verzeih' ihnen. Und Euch auch, Ingeles. Ihr hattet recht und ich war im Unrecht. Ich bitte um Verzeihung. Es tut gut, Euch wiederzusehen.« Er entkorkte die Flasche und bot sie ihm an. »Hier … hier, das ist guter Brandy!«
»Ihr zuerst.«
Der Portugiese tat, wie ihm geheißen, und wischte sich dann mit dem Handrücken den Mund ab. Blackthorne nahm die Flasche: » Salud !« Er kippte sie nach hinten und tat so, als ob er schlucke, hielt jedoch insgeheim die Zunge vor die Öffnung, um zu verhindern, daß etwas von dem Brandy in seinen Mund gelangte, so gern er auch getrunken hätte. »Ah!« sagte er. »Das hat gutgetan. Hier!«
»Behaltet sie! Es ist ein Geschenk, Ingeles!«
»Von dem Pater? Oder von Euch?«
»Von mir.«
»Bei Eurem Gott?«
»Bei Gott und der Hochheiligen Jungfrau, Ihr mit Eurem ›Bei Gott‹!« sagte Rodrigues. »Es war ein Geschenk von mir und dem Pater. Ihm gehört der ganze Schnaps an Bord der Santa Filipa , nur hat Seine Eminenz gesagt, ich dürfe mich bedienen, und es sind noch ein Dutzend mehr solcher Flaschen an Bord. Es ist ein Geschenk. Wo bleiben Eure Manieren?«
Blackthorne tat nochmals so, als ob er tränke, reichte ihm die Flasche aber dann doch zurück. »Hier, nehmt noch einen Schluck!«
Rodrigues spürte den Branntwein bis in die Zehenspitzen hinunter und war froh, daß er, nachdem er die volle Flasche von Alvito erhalten, sie insgeheim geleert, sorgfältig ausgewaschen und sie dann mit Brandy aus seiner eigenen Flasche gefüllt hatte. Madonna, vergebt mir, betete er, daß ich dem Pater mißtraue! Ach, Madonna, Gott und Herr Jesus Christ, um der Liebe Gottes willen, steigt nochmals zur Erde herab und verändert diese Welt, in der wir manchmal nicht einmal den Priestern trauen mögen.
»Was habt Ihr denn?«
»Nichts, Ingeles. Ich dachte nur gerade, daß diese Welt verdammt verrückt ist, wo man heutzutage fast niemandem mehr trauen kann. Ich bin als Freund gekommen, und jetzt hat die Welt ein Loch.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»So bis an die Zähne bewaffnet?«
»Ich bin immer bis an die Zähne bewaffnet. Sonst wär' ich schon längst nicht mehr am Leben. Salud !« Mit düsterer Miene hob der große Mann die Flasche und nahm nochmals einen Schluck. »Scheiß auf die Welt, scheiß auf alles!«
»Wollt Ihr damit sagen: Scheiß auf mich?«
»Ingeles, das hier bin ich, Vasco Rodrigues, Pilot der Portugiesischen Flotte, nicht irgendein dreckiger Samurai. Ich hab' Euch einen Haufen Beschimpfungen an den Kopf geworfen, alle in Freundschaft. Heute abend bin ich hergekommen, einen Freund zu besuchen, und jetzt habe ich keinen Freund mehr. Ein Jammer!«
»Ja.«
»Eigentlich sollte ich nicht traurig sein, aber ich bin's trotzdem. Mit Euch befreundet zu sein, war außerordentlich schwierig für mich.« Rodrigues stand auf und streckte seinen Rücken, um dann wieder Platz zu nehmen. »Ich hasse es, auf diesen gottverfluchten Kissen zu hocken! Für mich sind Stühle das Richtige. Und jetzt zurück an Bord! Salud , Ingeles.«
»Als Ihr plötzlich in den Wind ginget und ich
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