Shogun
sah Blackthorne sich die zwanzig Mann an. »Warum sind sie nur aus der Gruppe der Gefesselten ausgewählt worden, Uraga-san?«
»Sie gehören alle zu einem Klan, Anjin-san. Wie Brüder, Euer Gnaden. Sie bitten um die Ehre, Euch beschützen zu dürfen.«
»Anatawa … anatawa … anatawa …« Blackthorne zeigte wahllos auf zehn von ihnen und befahl ihnen, wieder zurück an Land zu gehen, damit sie durch andere Vasallen ersetzt würden, die Uraga gleichfalls wahllos bestimmte. Und, schärfte er Uraga ein, macht ihnen klar, daß alle meine Vasallen wie Brüder zu sein hätten, sonst könnten sie gleich Seppuku begehen.
»Wakarimasu?«
Bald waren die Trossen vom Vordersteven an Bord des anderen Fahrzeugs übernommen und festgemacht worden. Blackthorne sah sich alles genau an, prüfte den Wind und setzte seinen ganzen Seemannsinstinkt ein; denn er wußte, selbst in dem riesigen Hafenbecken von Yedo konnte ihre Reise gefährlich werden, wenn plötzliche Böen aufkamen.
»Legt ab!« schrie er. »Ima, Käpt'n-san!«
Der Kapitän der Galeere winkte und ließ sein Schiff langsam vom Pier ablegen. Die Galeere war bis auf den letzten Platz mit Samurai sowie mit Naga und dem Rest seiner eigenen Vasallen besetzt. Yabu stand neben Blackthorne auf dem Achterdeck der Erasmus. Sie legte sich leicht auf die Seite, und ein Zittern durchlief sie, als die Strömung sie packte.
Blackthorne und seiner Mannschaft wollte vor Lust schier das Herz zerspringen; das erregende Gefühl, wieder auf See zu sein, fegte alle Beängstigungen beiseite. Ginsel lehnte sich über den Rand eines kleinen, an Steuerbord vertäuten Korbs, warf das Lot aus und sang die Fadentiefe hinaus. Der Pier blieb mehr und mehr zurück.
»Ahoi voraus! Yukkuri seyo! – Langsame Fahrt!«
» Hai, Anjin-san«, ertönte die Antwort. Gemeinsam krochen die beiden Schiffe durch die Hafenströmung hinaus. Lichter blitzten an ihren Mastspitzen.
»Gut, Anjin-san«, sagte Yabu. »Sehr gut!«
Yabu wartete, bis sie ein ganzes Stück weit draußen auf See waren, dann nahm er Blackthorne beiseite. »Anjin-san«, tastete er sich äußerst vorsichtig vor, »Ihr habt mir gestern das Leben gerettet. Versteht Ihr? Als Ihr diese Ronin zurückgepfiffen habt. Erinnert Ihr Euch?«
»Ja. Nur meine Pflicht.«
»Nein, nicht Pflicht. In Anjiro, Ihr erinnert Euch an jenen anderen Mann, den Matrosen, wißt Ihr noch?«
»Ja, ich erinnere mich.«
» Shikata ga nai, neh? Karma, neh? Das war vor Samurai oder Hatamoto …« Yabus Augen glänzten im Licht der Seelaterne. Er berührte Blackthornes Schwert und sprach leise, aber sehr deutlich: »… vor ›Öl-Verkäufer‹, neh? Von Samurai zu Samurai bitte ich, vergeßt alles, was davor war. Machen neuen Anfang! Heute nacht! Bitte! Versteht Ihr?«
»Ja, ich verstehe.«
»Ihr braucht mich, Anjin-san … Ohne mich keine Barbaren- Wako. Nicht in Nagasaki. Niemals. Ich kann sie bekommen … Euch helfen. Jetzt kämpfen wir Seite an Seite. Auf Toranagas Seite. Ohne mich keine Wako, wakarimasu?«
Blackthorne schaute eine Weile schweigend zur Galeere vor ihnen hinüber, um dann einen prüfenden Blick über das Deck und seine Matrosen gleiten zu lassen. Dann sah er auf Yabu hinunter. »Ja, ich verstehe.«
»Ich fürchte Euch nicht. Ihr braucht mich nicht zu fürchten. Niemals wieder. Ich will, was Ihr wollt: Eure neuen Schiffe hier, Kapitän der neuen Schiffe. Ich kann Euch sehr viel helfen. Zuerst das Schwarze Schiff … ah ja, Anjin-san«, sagte er, als er sah, wie ein Ausdruck der Freude über Blackthornes Gesicht huschte, »ich werde Herrn Toranaga überzeugen. Ihr wißt, daß ich ein Kämpfer bin, neh? Ich werde den Angriff anführen. Ich greife das Schwarze Schiff für Euch von Land aus an. Zusammen, Ihr und ich, sind wir stärker als einer allein. Neh?«
»Ja. Möglich, mehr Männer zu bekommen? Mehr als meine zweihundert?«
»Wenn Ihr zweitausend Mann braucht … fünftausend! Keine Sorge, Ihr führt Schiff … ich führe den Angriff. Einverstanden?«
»Ja. Gerechter Handel. Ich bin einverstanden.«
»Gut, sehr gut, Anjin-san«, sagte Yabu zufrieden. Er wußte, daß diese gegenseitige Partnerschaft ihnen beiden zugute kommen würde, mochte der Barbar ihn auch noch so sehr hassen.
Wieder einmal hatte sich Yurikos Logik als richtig erwiesen. Früher am Abend hatte er mit Toranaga gesprochen und um die Erlaubnis gebeten, sofort nach Osaka zu gehen, um dort alles für ihn vorzubereiten. »Verzeiht, bitte, aber ich hielt die
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