Shogun
froh gewesen war, sie wieder los zu sein. An jenem Abend hatte es noch weitere Streitereien gegeben, die sich an hitzigen Auseinandersetzungen über den Inhalt der Schatztruhe entzündet hatten. Das Geld gehörte der Gesellschaft und nicht ihm. Van Nekk war Schatzmeister und Oberster der Kaufleute der Expedition und hatte gemeinsam mit dem Generalkapitän das Verfügungsrecht darüber. Nachdem das Geld gezählt und nochmals gezählt worden war, wobei sich herausstellte, daß bis auf tausend Silberstücke alles da war, hatte van Nekk mit der Unterstützung Jan Ropers darüber gestritten, wieviel er mitnehmen könne, um neue Seeleute anzuheuern.
»Ihr wollt viel zuviel, Pilot. Ihr müßt ihnen weniger bieten.«
»Himmelherrgott! Was sie auch verlangen, wir müssen es zahlen. Ich brauche Seeleute und Kanoniere.« Er hatte in der großen Kammer mit der Faust auf den Tisch geschlagen. »Wie sollen wir sonst jemals wieder nach Hause kommen?« Zuletzt war es ihm gelungen, sie zu überreden. Am nächsten Tag hatte er sie dann nach Yedo zurückgeschickt. Ein Zehntel des Schatzes war als ausstehende Heuer unter sie aufgeteilt worden, der Rest sollte an Bord der Erasmus zurückbleiben.
Blackthorne war froh, sie endlich los zu sein. Vinck war einverstanden gewesen, ihn zu begleiten.
»Warum denn ausgerechnet er?« hatte van Nekk gefragt.
»Weil er Seemann ist und ich Hilfe brauche.«
Auf hoher See hatte er angefangen, Vinck daran zu gewöhnen, sich japanischen Sitten und Gebräuchen anzupassen. Vinck machte gute Miene zum bösen Spiel, denn er vertraute Blackthorne. Sie waren zu viele Jahre zusammengewesen, als daß er ihn nicht gut genug gekannt hätte. »Pilot, für Euch bade und wasch' ich mich jeden Tag, aber ich fress' 'n Besen, wenn ich eins von diesen verfluchten ›Nachthemden‹ anziehe!«
Nach zehn Tagen schwenkte Vinck fröhlich und halbnackt die Lotleine. Sein breiter Leibriemen spannte sich über seinem mächtigen Bauch, hinten steckte in einer Scheide ein Dolch, und in seinem sauberen, wenn auch ziemlich zerfetzten Hemd hatte er eine von Blackthornes Pistolen stecken.
»Wir müssen doch hoffentlich nicht zur Burg, Pilot, oder?«
»Nein.«
Es war ein prachtvoller Tag. Sonnenglanz lag auf der spiegelglatten See. Die Ruderer waren immer noch sehr gut bei Kräften und arbeiteten sehr diszipliniert.
»Vinck, da hinten ist der Überfall gewesen.«
»O du lieber Gott … seht Euch diese Klippen an!«
Blackthorne hatte Vinck erzählt, wie die Flucht aus dem Hafen um Haaresbreite geklappt, wie auf den Zinnen dort drüben die Signalfeuer gebrannt, wie die Toten sich am Ufer getürmt und die feindliche Fregatte auf ihn zugebraust war.
»Ah, Anjin-san.« Yabu gesellte sich zu ihnen. »Gut, neh?« Er zeigte auf die Verwüstungen, die der Sturm hinterlassen.
»Schlimm, Yabu-sama.«
»Aber es sind doch Feinde, neh?«
»Menschen keine Feinde. Ishido und Samurai Feinde, neh?«
»Die Burg ist der Feind«, erwiderte Yabu und ließ etwas von der Unruhe erkennen, die auch ihn gepackt hatte. »Hier ist alles Feind.«
Blackthorne sah Yabu nach, wie er nach achtern ging und der Wind seinen Kimono an seinen harten Oberkörper drückte.
Vinck senkte die Stimme. »Am liebsten würde ich dem Hund den Hals umdrehen, Pilot.«
»Ja. Auch ich hab' nicht vergessen, was er Pieterzoon angetan hat, keine Angst.«
»Ich auch nicht. Gott sei mein Zeuge! Wie geht es jetzt weiter, Pilot?«
»Wir machen fest und warten. Er geht für ein, zwei Tage an Land, und wir stecken am besten die Köpfe nicht raus und bleiben an Bord.« Blackthorne suchte das Wasser und die Schiffe nach Gefahren ab, entdeckte jedoch nichts Verdächtiges.
Yabu, der Vinck eine Weile beobachtet hatte, wie er das Lot auswarf, schlenderte zu Blackthorne zurück. »Anjin-san, vielleicht nehmt Ihr besser die Galeere und fahrt weiter nach Nagasaki. Nicht warten, eh?«
»In Ordnung«, sagte Blackthorne mit liebenswürdiger Stimme, ohne indes nach dem Köder zu schnappen.
Yabu lachte. »Ihr gefallt mir, Anjin-san! Aber allein würdet Ihr bald sterben. Nagasaki ist sehr schlecht für Euch.«
»Osaka schlecht … überall schlecht.«
»Karma!« Yabu lächelte wieder, und Blackthorne tat so, als teile er den Scherz. In der einen oder anderen Form hatten sie diese Unterhaltung auf der Fahrt viele Male durchgespielt. Blackthorne hatte eine Menge über Yabu erfahren. Er haßte ihn nur um so mehr, mißtraute ihm noch mehr, hatte aber auch größeren Respekt vor ihm und
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