Shogun
wußte, daß ihr Karma unlösbar miteinander verbunden war.
»Yabu-san hat recht, Anjin-san«, hatte Uraga gesagt. »Er kann Euch in Nagasaki beschützen. Ich kann es nicht.«
»Wegen Eures Onkels, Herrn Harima?«
»Ja. Vielleicht hat man mich bereits zu einem Geächteten erklärt, neh? Mein Onkel ist Christ … wenn auch, wie ich glaube, ein Reis-Christ.«
»Was ist denn das?«
»Nagasaki ist sein Lehen. Nagasaki hat einen großen Hafen an der Küste von Kyushu, aber nicht den besten. Aber er hat schnell seine Chance erkannt, neh? Er ist zum Christentum übergetreten und hat befohlen, daß alle seine Vasallen Christen würden. Er hat mir befohlen, Christ zu werden und die Jesuitenschule zu besuchen. Er hat den Jesuiten Land gegeben und umschmeichelt sie. In seinem Herzen ist er aber nichts weiter als Japaner.«
»Wissen die Jesuiten, wie Ihr darüber denkt?«
»Aber selbstverständlich.«
»Glauben sie auch, daß es viele Reis-Christen gibt?«
»Was sie wirklich denken, Anjin-san, sagen sie nicht. Meistens tun sie das nicht einmal untereinander. Sie sind darin geübt, Geheimnisse zu haben, sich der Geheimnisse zu bedienen, sich über sie zu freuen, sie aber niemals preiszugeben. Darin sind sie sehr japanisch.«
»Ihr bleibt wahrscheinlich besser hier in Osaka, Uraga-san.«
»Bitte, verzeiht, Euer Gnaden, ich bin Euer Vasall. Wenn Ihr nach Nagasaki geht, gehe ich auch hin.«
Blackthorne wußte, daß Uraga zu einer unschätzbaren Hilfe für ihn wurde. Der Mann enthüllte so viele Geheimnisse über die Jesuiten: Wie, wann und warum sie ihren Handel abwickelten, wie ihre Organisation beschaffen war und in was für unglaublichen internationalen Machenschaften sie ihre Finger hatten. Nicht weniger aufschlußreich erzählte er von Harima, Kiyama und von der Denkweise der christlichen Daimyos. Himmel, ich weiß jetzt vieles, was in London unschätzbar wäre, dachte er. Wie kann ich dieses Wissen nur weitergeben? Zum Beispiel, daß der chinesische Seidenhandel mit Japan jährlich zehn Millionen in Gold einbringt und daß die Jesuiten einen ihrer ordinierten Priester am Hofe des Kaisers von China haben, wo er ein Hofamt bekleidet, ein Vertrauter der Herrscher ist und perfekt chinesisch spricht. Könnte ich doch bloß einen Brief schreiben … wenn ich doch nur einen Boten hätte!
Als Gegenleistung für all das, was er erfuhr, unterwies Blackthorne Uraga in der Navigation, berichtete von dem großen religiösen Schisma und vom Parlament. Außerdem brachte er ihm und Yabu bei, wie man eine Kanone abfeuert. Beide erwiesen sich als ausgezeichnete Schüler. Uraga ist ein guter Mann, dachte er. Kein Problem.
Ein warnender Ruf ertönte vom Ausguck auf dem Vorschiff.
»Anjin-san!« Der japanische Kapitän zeigte nach vorn auf einen eleganten Kutter, der von zwanzig Mann gerudert wurde und sich von Steuerbord her näherte. Am Mast flatterte Ishidos Wappen, daneben das Wappen des Regentschaftsrates.
»Wer mag das sein?« fragte Blackthorne. Er spürte, welche Spannung über dem gesamten Schiff lag und daß aller Augen in die Ferne spähten.
»Ich kann es noch nicht erkennen, tut mir leid«, sagte der Kapitän.
Yabu zuckte mit den Schultern. »Irgendein Beamter.«
Als der Kutter näherkam, erkannte Blackthorne einen älteren Mann, der unter einem Baldachin auf dem Achterdeck saß. Er trug einen reichgeschmückten Kimono und den Überwurf mit den flügelgleichen Schultern. Schwerter trug er keine, und umgeben war er von Ishidos Grauen.
Der Trommelmeister hörte auf, den Rudertakt anzugeben, um dem Kutter Gelegenheit zu geben, längsseits zu kommen. Männer eilten, dem Beamten an Bord zu helfen.
Yabu und der ältere Mann begrüßten sich außerordentlich förmlich. Endlich saßen sie auf Kissen von unterschiedlichem Rang, wobei der Beamte den Ehrenplatz auf dem Vorschiff einnahm. Yabus Samurai und Graue saßen im Schneidersitz um sie herum. »Der Rat heißt Euch, Kasigi Yabu, im Namen Ihrer Kaiserlichen Hoheit willkommen«, sagte der Mann. Er war klein und pummelig und wirkte irgendwie schwächlich, war einer der Hauptratgeber in Fragen des Protokolls beim Regentschaftsrat und bekleidete gleichzeitig ein Amt am Kaiserlichen Hof. Sein Name war Ogaki Takamoto, er war ein Prinz siebenten Grades, und seine Aufgabe bestand darin, als Mittelsmann zwischen dem Hof Seiner Kaiserlichen Hoheit, dem Sohn des Himmels, und den Regenten zu fungieren. Wie alle Höflinge des Kaiserlichen Hofes hatte er sich die Zähne schwarz
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