Shogun
augenblicklichen Throninhaber, dem Kaiser Go-Nijo, weitergegeben worden: Das Schwert, der Juwel und der Spiegel. Das Schwert und der Juwel begleiteten in großem Pomp den Kaiser, wenn er einmal über Nacht dem Palast fernbleiben mußte, wohingegen der Spiegel im Allerheiligsten des Großen Shinto-Schreins von Ise aufbewahrt wurde. Schwert, Spiegel und Juwel gehörten dem Sohn des Himmels. Sie waren göttliche Symbole seiner legitimen Autorität, seiner Göttlichkeit und außerdem ein Sinnbild dafür, daß, wenn er auf Reisen war, der göttliche Thron mit ihm reiste und in ihm alle Macht repräsentiert wurde.
Yabu krächzte: »Es ist fast unmöglich zu glauben, daß man mit den Vorbereitungen rechtzeitig fertig wird.«
»Oh, nein. Erst die große Ehre, welche Euer Gebieter den Regenten erweist, hat sie veranlaßt, den Sohn des Himmels zu ersuchen, die Zeremonie mit seiner Anwesenheit zu ehren.« Wieder das trockene Husten. »Bitte, verzeiht, aber würdet Ihr mir Eure Zusage zum Erscheinen in aller Form schriftlich geben?«
»Erlaubt Ihr, daß ich das sofort tue?« fragte Yabu. Er fühlte sich sehr schwach. »Ich bin überzeugt, die Regenten wüßten das sehr zu schätzen.«
Leise befahl Yabu, daß sein Schreibgerät herbeigebracht werde. Neunzehn hämmerte es immer wieder in seinem Kopf. Neunzehn Tage! Nur neunzehn Tage noch kann Toranaga es hinausschieben, aber dann muß auch er hier sein. Zeit genug für mich, nach Nagasaki zu gehen und sicher wieder nach Osaka zurückzukehren, nicht jedoch Zeit genug, um einen Angriff zur See auf das Schwarze Schiff vorzutragen und es zu kapern, folglich also auch nicht Zeit genug, Harima, Kiyama oder Onoshi oder die christlichen Priester unter Druck zu setzen, und deshalb auch nicht Zeit genug, ›Blutiger Himmel‹ ins Rollen zu bringen … und damit ist Toranagas listiger Plan nichts weiter als eine Seifenblase, die platzt …
Oh! Oh! Oh!
»Was tun?«
Papier, Pinsel und Tinte kamen. Yabu tat seine Angst für einen Augenblick beiseite und konzentrierte sich darauf, so vollkommen und schön zu schreiben, wie er konnte. Nachdem er seine Zusage niedergelegt, faßte er den entscheidenden Entschluß: Er würde Yurikos Rat bis zuletzt in allem folgen. Augenblicklich fiel ihm eine Last von der Wa , und er fühlte sich wie neugeboren. Mit einem arroganten Schnörkel setzte er seinen Namen unter das Schriftstück.
Wie schaffe ich es, Toranagas bester Vasall zu sein? So einfach: Indem ich Ishido beseitige.
Und wie das anfangen und trotzdem Zeit haben davonzukommen?
Dann hörte er, wie Ogaki sagte: »Morgen seid Ihr zu einem Empfang eingeladen, den Herr General Ishido anläßlich des Geburtstags der Dame Ochiba zu geben sich beehrt.«
Von der Reise noch ganz zerschlagen, umarmte Mariko erst Kiri, um dann die Dame Sazuko in die Arme zu schließen, den Säugling zu bewundern und Kiri nochmals zu umarmen. Aufgeregt machten die Zofen sich um sie herum zu schaffen, brachten Cha und Saké und eilten mit Kissen und wohlduftenden Kräutern herbei.
Schließlich klatschte Kiri in die Hände, schickte die Zofen fort und griff überwältigt von Glück und Erregung schwerfällig nach ihrem Spezialkissen. Sie war hochrot im Gesicht. Hastig fächerten Mariko und die Dame Sazuko ihr Kühlung zu. Erst nachdem sie drei große Schalen Saké getrunken hatte, vermochte sie wieder ruhig zu atmen.
»Ah, das ist besser«, sagte sie. »Ja, dank Euch, Kind, ja, noch etwas! Ach, Mariko-chan, seid Ihr wirklich hier?«
»Ja, ja. Wirklich hier, Kiri-san.«
Sazuko, die mit ihren siebzehn Jahren sehr jung aussah, sagte: »Ach, wir haben uns ja solche Sorgen gemacht, wo wir doch bloß Gerüchte und …«
»Ja, nichts als Gerüchte«, fiel Kiri ihr ins Wort. »O ja, es gibt so viel, was ich wissen möchte. Mir ist ganz übel.«
»Arme Kiri-san, hier, nehmt noch etwas Saké«, sagte Sazuko fürsorglich. »Vielleicht solltet Ihr Euren Obi etwas lockern und …«
»Mir geht es schon wieder gut! Bitte, jetzt keine Aufregung mehr, Kind!« Kiri holte tief Luft und faltete die Hände über dem mächtigen Bauch. »Ach, Mariko-san, wie gut es tut, wieder einmal ein vertrautes Gesicht von außerhalb der Burg zu sehen!«
»Ja«, kam es von Sazuko. Sie schmiegte sich enger an Mariko, und dann brach es aus ihr hervor: »Jedesmal, wenn wir unser Tor hinter uns lassen, werden wir von Grauen umschwärmt, als wären wir Bienenköniginnen. Ohne Erlaubnis des Rats dürfen wir die Burg nicht verlassen … keine von den
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