Shogun
Eminenz«, sagte Soldi. »Unsere Spitzel berichten, daß die Regenten heute kurz nach Morgengrauen für den Krieg gestimmt haben.«
Dell'Aqua blieb stehen. »Krieg?«
»Sie scheinen überzeugt zu sein, daß Toranaga niemals nach Osaka kommen wird, und der Kaiser auch nicht. Deshalb haben sie beschlossen, gegen den Kwanto vorzugehen.«
»Irrtum ausgeschlossen?«
»Ja, Eminenz. Es wird Krieg geben. Auch Kiyama hat uns durch Bruder Michael Bescheid gegeben. Michael sagt, man habe einstimmig dafür gestimmt.«
»Wie bald?«
»In dem Augenblick, da sie mit Sicherheit wissen, daß der Kaiser nicht hierherkommt.«
»Dieser Krieg wird nie ein Ende haben. Gott sei uns allen gnädig! Zumindest haben Kiyama und Onoshi rechtzeitig von Toranagas verruchtem Doppelspiel unterrichtet werden können.«
»Und was ist mit Onoshi, Eminenz? Was ist mit seinem verruchten Doppelspiel Kiyama gegenüber?«
»Dafür haben wir keine Beweise, Soldi. Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Soll ich Pater Alvito benachrichtigen?« fragte Soldi noch.
»Nein. Noch nicht. Erst einmal muß ich mir darüber klarwerden, was ich tun soll. Toranaga wird früh genug durch seine eigenen Quellen davon erfahren.«
Soldi machte die Tür für den Pater Visitator auf. »Das einzige, was sonst noch von Belang ist, wäre, daß der Rat es abgelehnt hat, uns die sterblichen Überreste der Dame Maria zu überlassen. Sie erhält morgen ein offizielles Begräbnis, und wir sind nicht dazu geladen.«
»Das war zu erwarten. Aber immerhin ist es großartig, daß sie sie derart ehren. Schickt einen von unseren Leuten, daß er etwas von ihrer Asche holt. Die Asche soll in geweihtem Boden in Nagasaki beigesetzt werden.« Automatisch rückte er ein Bild gerade und nahm dann hinter seinem Schreibtisch Platz. »Ich werde hier ein Totenamt für sie lesen … ein feierliches Requiem. Als gesegnete Tochter der Kirche wird sie in der Kathedrale beigesetzt werden. Ihr gesegneter Mut und ihr Selbstopfer werden unserer Herde einen ungeheuren Auftrieb geben. Das ist sehr wichtig, Soldi.«
»Und Kiyamas Enkelin, Eminenz? Ihre Leiche können wir haben, sagen die Behörden. Kiyama hat darauf bestanden.«
»Gut. Dann sollten ihre Überreste sofort nach Nagasaki geschafft werden. Ich werde bei Kiyama nachfragen, wie prunkvoll er das Begräbnis haben möchte.«
»Werdet Ihr das Totenamt für sie zelebrieren, Eminenz? Herr Kiyama würde sich über diese Ehre bestimmt sehr freuen.«
»Ja … allerdings müssen wir achtgeben, daß das Requiem für sie nicht von der Dame Maria ablenkt. Maria ist politisch sehr, sehr wichtig.«
»Selbstverständlich, Eminenz. Ich verstehe durchaus.«
Dell'Aqua betrachtete forschend seinen Sekretär. »Warum traut Ihr Onoshi nicht?«
»Verzeihung, Eminenz … vielleicht liegt es daran, daß er ein Leprakranker ist und ich eine Heidenangst vor ihm habe. Ich bitte um Verzeihung.«
»Bittet ihn um Verzeihung, Soldi, er kann schließlich nichts für seine Krankheit«, sagte dell'Aqua. »Und was seine Verschwörung betrifft, so haben wir keinerlei Beweise dafür.«
Dell'Aqua schwenkte eine Glaskaraffe und beobachtete, wie das Licht sich darin brach. »Als ich betete, hatte ich den Geruch von Orangenblüten und frischgebackenem Brot in der Nase. Ach, wie sehr ich mich danach sehne, nach Hause zu kommen!«
Soldi seufzte. »Ich träume von Abbacchio , Eminenz, und von einer Fleisch-Pizzaiola und einer Flasche Lacrimae Christi und … Gott verzeih mir den Hunger des Hungers! Bald können wir heimkehren, Eminenz. Nächstes Jahr. Bis dahin wird sich hier alles geklärt haben.«
»Nichts wird sich geklärt haben. Dieser Krieg wird uns großen Schaden zufügen … der Kirche und den Gläubigen.«
»Nein, Eminenz. Kyushu wird christlich bleiben, wer auch siegen mag«, sagte Soldi voller Zuversicht, denn er wollte seinen Oberen ein wenig aufmuntern. »Und in Kyushu haben wir mehr als genug zu tun, Eminenz. Es gilt, drei Millionen Seelen zu bekehren und einer halben Million Gläubigen zu dienen.«
»Ja. Gewiß. Aber leider ist es so, daß das, was in Osaka und Yedo geschieht, auch das Geschick von Kyushu bestimmt.« Dell'Aqua schüttelte seine Schwermut ab. »Was ist denn mit dem Ingeles? Wo ist der jetzt?«
»Immer noch unter starker Bewachung im Bergfried.«
»Laßt mich für eine Weile allein, alter Freund. Ich muß nachdenken. Ich muß zu einem Entschluß kommen. Die Kirche ist in großer Gefahr.« Dell'Aqua schaute durchs Fenster auf den
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