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Shogun

Shogun

Titel: Shogun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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sich bewußt, daß er beobachtet wurde. Er tat so, als merke er es nicht, und versuchte seinen Rücken so gerade und sein Gesicht so ausdruckslos zu halten, wie es nur ging, und er betete darum, daß die Übelkeit ihn nicht wieder überwältigte und ihn der Schande preisgab. Die Schmerzen nahmen noch zu.
    Der Zug schlängelte sich durch die Befestigungsanlagen der Burg und vorbei an Tausenden von Samurai, die schweigend in Reih und Glied Aufstellung genommen hatten. Die Trauernden passierten einen Kontrollposten nach dem anderen und überquerten die fünf Wallgräben. Als sie das Haupttor hinter sich hatten und sich außerhalb der Hauptbefestigungsanlagen befanden, bemerkte er, daß seine Grauen ihre Aufmerksamkeit verdoppelten und jeden ringsum beobachteten, sich immer in größter Nähe von ihm hielten und ihn sehr sorgfältig bewachten. Die Prozession ging über einen großen freien Platz hinweg, über eine Brücke und machte dann auf einem Platz am Flußufer halt.
    Dieser Platz maß dreihundert Schritt mal fünfhundert Schritt. In der Mitte war eine Grube von fünfzehn Schritt im Geviert und von fünf Schritt Tiefe ausgehoben und mit Holz gefüllt worden. Über der Grube ragte ein hohes, mit weißer Seide bedecktes Schilfdach, und an den vier Seiten waren Wände aus weißen Tüchern aufgestellt, die von Bambusstangen herunterhingen und genau nach Osten, Norden, Westen und Süden zeigten. Jede Wand wies in der Mitte eine kleine hölzerne Tür auf.
    »Durch diese Türen muß die Seele auf ihrem Flug in den Himmel hindurch, Anjin-san«, hatte Mariko ihm in Hakoné gesagt.
    »Laßt uns schwimmen gehen oder von etwas anderem reden. Von etwas Schönerem.«
    »Ja, selbstverständlich, aber erst laßt mich zu Ende kommen, denn dies ist etwas sehr Schönes. Unser Leichenbegängnis ist für uns von größter Wichtigkeit, und deshalb solltet Ihr darüber Bescheid wissen, Anjin-san, neh? Bitte!«
    »Schön. Aber warum vier Tore. Warum nicht nur eines?«
    »Die Seele muß wählen können. Das ist sehr weise eingerichtet … oh, wir sind sehr weise, neh? Habe ich Ihm heute schon gesagt, daß ich Ihn liebe?« hatte sie gesagt. »Wir sind ein sehr weises Volk, daß wir der Seele gestatten zu wählen. Die meisten Seelen wählen die Südpforte, Anjin-san. Das ist die wichtige, wo Tische mit getrockneten Feigen, frischen Granatäpfeln und anderen Früchten stehen, mit Radieschen und Gemüsen und Garben von Reisschößlingen, wenn es die richtige Jahreszeit ist. Und immer eine Schale mit frisch gekochtem Reis, Anjin-san, die ist das Allerwichtigste. Versteht Ihr, die Seele könnte den Wunsch haben zu essen, ehe sie fortgeht.«
    »Wenn ich an der Reihe bin, dann stellt mir einen gebratenen Fasan hin oder …«
    »Tut mir leid, kein Fleisch … nicht einmal Fisch. Damit nehmen wir es sehr ernst, Anjin-san. Außerdem wird auf dem Tisch immer ein kleines Kohlebecken mit Holzkohlenglut und kostbaren Hölzern und Ölen darin stehen, damit alles wohl duftet.«
    Blackthorne merkte, wie seine Augen sich mit Tränen füllten.
    »Ich möchte, daß mein Leichenbegängnis am frühen Morgen stattfindet«, hatte sie oft mit größter Ernsthaftigkeit gesagt. »Ich liebe die Morgendämmerung über alles. Und wenn es möglich wäre, sollte es im Herbst sein.«
    Ja, dachte er, dabei hast du die ganze Zeit über gewußt, daß du den Herbst nicht mehr erleben würdest …
    Seine Sänfte wurde auf einem Ehrenplatz in der Mitte der vordersten Reihe abgesetzt, und er war so nahe, daß er die Tropfen auf den mit Wasser besprengten Früchten sah. Alles war da, so wie sie es gesagt hatte. Ringsumher standen Hunderte von Sänften, und auf dem Platz drängten sich Tausende von Samurai mit ihren Damen. Er erkannte Ishido und neben ihm Ochiba. Sie saßen in ihren prachtvollen reichgeschmückten Sänften und starrten auf die weißen Stoffwände, die sich in der sanften Brise bauschten. Kiyama saß auf der anderen Seite von Ochiba, Zataki in der Nähe zusammen mit Ito. Onoshis verhangene Sänfte war gleichfalls da. Jeder war von zahlreichen Wachen umringt. Kiyamas Samurai trugen Kreuze. Die von Onoshi desgleichen.
    Blackthorne sah sich suchend nach Yabu um, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Es waren überhaupt keine Braunen zu sehen. Jetzt blickte Kiyama steinern zu ihm herüber, und als er den Ausdruck in seinen Augen sah, war er froh, daß er seine Wachen hatte.
    Nach einer Weile wandte Kiyama den Blick ab, und Blackthorne konnte freier

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