Shogun
hat dafür aber zwei Türme verloren.
Richtig. Nur in dieser letzten Phase hast du mehr verloren als eine Königin. Du hast ein Schiff verloren. Ein Bauer kann eine Königin werden … aber kein Schiff.
Sie ritten in schlankem knochenzermürbendem Trab den Hügel hinunter. Unten lag das Meer und das Dorf Yokohama – und nahe am Ufer das Wrack. Er konnte das Plateau sehen, wo das Musketenregiment samt Pferden und Ausrüstung, die Musketen im Sattelhalfter, feldmarschmäßig zur Inspektion angetreten war; andere, gleichfalls gut bewaffnete Samurai säumten weiter unten am Ufer als Ehrengarde den Weg. Am Rand des Dorfes knieten ihm zu Ehren wartend in schnurgeraden Reihen die Dorfbewohner. Weiter hinten lag die Galeere, auf der die Seeleute mit ihren Kapitänen angetreten waren. Links und rechts vom Pier waren die Fischerboote säuberlich eines neben dem anderen auf den Strand gezogen, und Toranaga nahm sich vor, Naga einen Rüffel zu erteilen. Zwar hatte er befohlen, daß das Regiment abmarschbereit zu sein habe, aber Fischer und Bauern vom Fischfang und von der Arbeit auf den Feldern abzuhalten, das war unverantwortlich.
Er drehte sich im Sattel um und rief einen Samurai heran, dem er befahl, Buntaro Bescheid zu geben, vorzureiten und sich zu vergewissern, daß alles sicher und bereit sei. »Dann geht ins Dorf, und entlaßt die Leute. Sie sollen wieder an die Arbeit gehen – bis auf den Dorfschulzen.«
»Jawohl, Euer Gnaden.« Der Mann drückte seinem Pferd die Sporen in die Weichen und galoppierte davon.
Jetzt war Toranaga nahe genug an das Plateau herangekommen, so nahe, daß er einzelne Gesichter unterscheiden konnte. Er erkannte den Anjin-san und Yabu, dann Kiri und die Dame Sazuko. Seine Erregung wuchs.
Buntaro galoppierte hügelabwärts. Er hatte den Bogen und den Köcher auf dem Rücken. Ein halbes Dutzend Samurai folgte ihm dicht auf den Fersen. Sie bogen vom Weg ab und kamen auf das Plateau hinauf. Sofort erblickte er Blackthorne, und sein Gesicht wurde noch finsterer. Dann zügelte er sein Pferd und schaute sich um. Ein überdachtes Podest mit einem einzelnen Kissen darauf war für die Inspektion vor dem Regiment aufgebaut worden. Ein zweites, kleineres und niedrigeres stand in der Nähe. Darunter warteten Kiri und die Dame Sazuko. Yabu als ranghöchster Offizier stand an der Spitze des Regiments, Naga zu seiner Rechten, der Anjin-san zu seiner Linken. Alles schien sicher, und Buntaro winkte den Haupttrupp heran. Die Vorhut trabte an, saß ab und nahm um das Podest herum Aufstellung. Dann ritt Toranaga heran. Naga reckte die Schlachtstandarte hoch in die Höhe. Wie ein Mann erscholl aus viertausend Kehlen der Ruf »Toranagaaaa!«, und dann verneigten sie sich.
Toranaga erwiderte die Begrüßung nicht. In absolutem Schweigen nahm er seine Leute in Augenschein. Er bemerkte, daß Buntaro den Anjin-san nicht aus den Augen ließ. Yabu trug das Schwert, das er ihm gegeben, war jedoch sichtlich nervös. Die Verneigung des Anjin-san war korrekt, und er verharrte wie erstarrt darin. Kiri und Sazuko lagen auf den Knien, die Hände flach auf den Tatamis . Jeder einzelne verharrte mit gebeugtem Oberkörper. Toranaga erwiderte die Verneigung nicht, sondern nickte nur und spürte das Beben, das durch die Samurai ging, als sie sich wieder aufrichteten. Gut, dachte er, als er behende aus dem Sattel sprang, froh darüber, daß sie seine Strafe fürchteten. Ein Samurai ergriff die Zügel seines Pferdes und führte es fort, während er zu seinen Damen hinüberging.
»Nun, Kiri-san, willkommen daheim!«
Freudig verneigte sie sich noch einmal. »Vielen Dank, Euer Gnaden. Ich hätte nie gedacht, daß ich noch einmal die Freude erleben würde, Euch wiederzusehen.«
»Ich auch nicht, Dame.« Toranaga ließ etwas von seinem Glück erkennen. Er wandte sich der jungen Frau zu. »Nun, Sazuko-san? Wo ist mein Sohn?«
»Bei seiner Amme, Euer Gnaden«, erklärte sie atemlos und sonnte sich unverhohlen in seiner Gunst.
»Bitte, schickt jemand, daß er unser Kind sofort holt.«
»O bitte, Euer Gnaden, wenn Ihr gestattet … dürfte ich ihn Euch selber holen?«
»Ja, ja, wenn Ihr möchtet.« Toranaga lächelte und sah ihr einen Moment nach, als sie davoneilte. Dann sah er wieder Kiri an. »Alles in Ordnung mit Euch?« fragte er sie.
»Jawohl, Euer Gnaden. O ja … und Euch so voller Kraft zu sehen, erfüllt mich mit Glück.«
»Ihr habt abgenommen, Kiri-chan, seht jünger aus denn je.«
»Tut mir leid, Euer Gnaden,
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