Shogun
fuhr Toranaga fort: »Eure Gattin hat mich gezwungen, mich, ihren Lehnsherrn, meinen Befehl zurückzunehmen und ihn erst nach Osaka durchzusetzen … wobei wir beide wußten, daß Osaka für sie den Tod bedeutete. Begreift Ihr jetzt?«
»Ja … ja, ich begreife.«
»In Osaka hat der Anjin-san ihre Ehre und die Ehre meiner Damen und meines jüngsten Sohnes gerettet. Wäre er nicht gewesen, würden sämtliche Geiseln heute noch in Osaka sein, ich tot oder in der Hand von Ikawa Jikkyu, vermutlich in Ketten gelegt wie ein gemeiner Verbrecher.«
»Bitte, verzeiht mir … aber warum hat sie das getan? Sie hat mich gehaßt … Warum hätte sie die Scheidung aufschieben sollen? Sarujis wegen?«
»Um Eurer Ehre willen. Sie wußte, was Pflicht ist. Eurer Frau ging es so sehr um Eure Ehre – selbst nach ihrem Tod noch –, daß es zu unserer Abmachung gehörte, mich einverstanden zu erklären, daß dies eine persönliche Angelegenheit zwischen ihr und Euch und mir bleiben sollte. Niemand sonst sollte jemals davon erfahren, weder der Anjin-san noch ihr Sohn, kein Mensch … nicht einmal ihr christlicher Beichtvater.«
Buntaro begriff alles, und Toranaga entließ ihn. Da erst, nachdem er endlich für einen Augenblick allein war, stand Toranaga auf und streckte sich, erschöpft von den vielen Dingen, die er seit seiner Ankunft erledigt. Die Sonne stand noch hoch, er hatte großen Durst, ließ sich von einem seiner Leibwächter kalten Cha einschenken und ging dann hinunter an den Strand. Dort legte er seinen durchgeschwitzten Kimono ab und schwamm. Das Wasser war herrlich und erfrischte ihn. Er tauchte, blieb jedoch niemals lange unter Wasser, um seine Wachen nicht zu beunruhigen. Deshalb tauchte er wieder auf, drehte sich auf den Rücken und ließ sich treiben, blickte in den Himmel hinauf und sammelte Kräfte für die lange Nacht, die vor ihm lag.
Ah, Mariko, dachte er, was für eine wunderbare Frau du bist. Jawohl, bist, denn du wirst zweifellos ewig leben. Bist du jetzt bei deinem Christengott in deinem christlichen Himmel? Hoffentlich nicht. Das wäre ein großer Jammer. Ich hoffe, dein Geist wartet irgendwo hier nur Buddhas vierzig Tage bis zur Wiedergeburt ab. Ich bete darum, daß dein Geist in meine Familie einfährt. Bitte! Aber wieder als Frau … nicht als Mann. Wir könnten es uns nicht leisten, dich als Mann zu haben. Dazu bist du etwas viel zu Besonderes!
Er lächelte. Alles hatte sich in Anjiro genauso abgespielt, wie er es Buntaro erzählt hatte, nur daß sie ihn nie gezwungen hatte, seinen Befehl zurückzunehmen. Wie es sich geziemte, hatte sie ihn gebeten, diese Scheidung erst nach Osaka öffentlich bekanntzugeben. Dadurch, daß ich mich damit einverstanden erklärte, habe ich ihr nur unnötige Schande und Streit erspart, mir selbst unnötige Scherereien … und dadurch, daß es jetzt niemand weiter erfährt, was ihr ganz gewiß recht gewesen wäre, gewinnt nur noch jeder. Bin ich froh, daß ich nachgegeben habe, dachte er gütig, und dann lachte er laut. Eine kleine Welle schlug über ihm zusammen, er bekam Wasser in den Mund und schluckte.
»Alles in Ordnung, Euer Gnaden?« rief eine eifrige Wache, die in der Nähe schwamm.
»Ja, selbstverständlich.« Toranaga würgte noch einmal, spuckte den Schleim aus, trat Wasser und dachte, das wird dich lehren, nicht nochmal so selbstgefällig zu sein. Das ist heute schon der zweite Fehler, den du machst. Dann sah er das Wrack. »Kommt, wir schwimmen um die Wette!« rief er seiner Wache zu.
Ein Wettschwimmen mit Toranaga war ein Wettschwimmen. Einmal hatte einer seiner Generäle ihn absichtlich gewinnen lassen. Dieser Fehler hatte den Mann alles gekostet.
Die Wache gewann. Toranaga gratulierte und hielt sich an einer der Spanten fest, wartete, bis sein Atem wieder normal ging und sah sich dann um. Er schwamm in die Tiefe und inspizierte den Kiel der Erasmus. Als seine Neugier befriedigt war, kehrte er erfrischt wieder an Land zurück.
Unter einem breiten, schilfgedeckten, von starken Bambuspfeilern getragenen Dach hatte man an guter Stelle ein provisorisches Haus aufgeschlagen. Shoji- Wände und Trennwände ruhten auf einem höhergelegenen Fußboden. Die Schildwachen waren bereits postiert. Auch für Kiri und Sazuko, Zofen und Köche war gesorgt.
Zum ersten Mal sah er sein Kind. Offensichtlich wäre die Dame Sazuko niemals so unhöflich gewesen, ihren Sohn sofort aufs Plateau hinaufzubringen, weil sie fürchten mußte, ihn in wichtigen
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