Shon'jir – die sterbende Sonne
welche Zeitspanne diese beiden Mri durchquert hatten.
Niun drückte seinen Arm und zog sich zurück, wickelte sich in seine Decke und legte sich zum Schlafen nieder, wie auch Melein sich für die Nacht niederließ.
Duncan übernahm die Wache, hüllte sich in seine Wärmedecke und fühlte sich warm trotz der Luft, in der sein Atem gefror. Der im dritten Viertel stehende Mond war aufgegangen. Ein Streifen hoher Wolken zog im Norden auf, konnte aber die Sterne nicht verhüllen.
Einmal spürte er die Gegenwart des Dus. Es kam nicht nahe heran, aber es war da, als eine Beruhigung irgendwo in ihrer Nähe.
18
Vor Schwäche zitternd drückte Sharn den Knopf, der den Nahrungsspender in ihre Reichweite brachte. Eine andeutungsweise Neigung des Körpers brachte ihren Mund daran, und eine Zeitlang war sie damit zufrieden, zu trinken und die Wärme in ihren Bauch strömen zu lassen. Der Schlauch erhöhte bereits die Zufuhr von Nährstoffen in ihre Venen, aber der lange Nahrungsentzug hatte psychologische Folgen, die keine Schlauchernährung mindern konnte.
Um sie herum schliefen auf der Brücke der SHIRUG zehn Junglinge, immer noch tief in der Hibernation, in der sie größere Abschnitte der langen Reise verbracht hatten. Nur Suth und ein Geleg Jungling namens Melek waren die ganze Zeit wach geblieben, abgesehen von den kurzen Schlafperioden, in die sie die Sprünge geworfen hatten. Suth war bereits völlig wach und kam eilig auf Sharn zu, war pflichtgemäß besorgt um die Älteste, zu der er als Bai Hulaghs Leihgabe gehörte.
»Darf ich dienen?« fragte er rauh. Fieberglanz glitzerte in seinen Augen. Die Knochenplatten seiner Wangen waren weiß umrändert und umwölkt, ein ungesundes Zeichen. Sharn erkannte das Leiden des Junglings, der eine so lange Reise gänzlich wach durchgestanden hatte, und bot Suth – eine seltene Höflichkeitsgeste – denselben Spender an, den sie benutzte. Suth wurde vor Freude dunkelrot und nahm ihn hungrig, trank mit großen, geräuschvollen Schlucken, die seinen zitternden Gliedern sicherlich neue Kraft zuführten. Dann gab er ihr den Spender zurück, Verehrung in den Augen.
»Weck die anderen!« befahl sie ihm daraufhin, und der Jungling gehorchte auf der Stelle.
Das Navigationsband stand auf Null.
Sie waren angekommen.
Ein rascher Blick auf den Scanner zeigte das ganz in der Nähe fliegende Menschenschiff, aber die Menschen würden jetzt kaum schon wieder handlungsfä- hig sein. Während der Reise war Sharn öfters aufgewacht, um sich mit Suth zu beraten, und sie hatte jedesmal gewußt, daß die Menschen langsamer als die Regul nach Sprüngen wieder zu sich kamen: sie benutzten Drogen, weil sie nicht über den biologischen Vorzug der Hibernation verfügten. Einige wenige waren bereits wieder an der Arbeit, aber immer noch benebelt. Das war bekannt; die Mri, die weder Drogen noch Hibernation benötigten, waren immer in der Lage gewesen, daraus Vorteile zu ziehen.
Und um sie herum erstreckte sich das Heimatsystem der Mri.
Dieser Gedanke ließ Sharns Blut kälter werden und ihre zwei Herzen zur Unzeit heftig pumpen. Von ihrer Fernbedienungskonsole aus rief sie neue Planschemata ab, aktivierte ihre Instrumente und steuerte das Schiff von der menschlichen Begleitung weg, solange diese noch benommen war. Ein automatischer Anruf ertönte unter den Instrumenten; ein menschlicher Computer unterrichtete sie darüber, daß sie aus dem Plan ausbrach. Sie kümmerte sich nicht darum und erhöhte die Geschwindigkeit im Realraum.
Die inneren Planeten waren ihr Ziel. Hinter ihr regten sich die erwachenden Menschen und sandten ihr wütende Rückkehrforderungen nach. Sie ignorierte sie. Sie war Alliierte, kein Vasall, und fühlte sich nicht an die Befehle der Menschen gebunden. Um sie herum erwachten die Junglinge unter der Behandlung des geschickten Altersgenossen, den ihr der Bai mitgegeben hatte – diese Zurverfügungstellung seines persönlichen Dieners war ein Maß für seine Wertschätzung. Sharn hegte verwirrende Gedanken über ihre eigene mögliche Gunst, ebenso wie über ihre augenblickliche Gefährdung.
»Wir werden als Voraussonde dienen«, sendete sie schließlich den verärgerten Menschen, ließ sich zu einer Antwort herab. »Es ist erforderlich, menschliche Verbündete, daß wir alle rasch erfahren, welcher Art von bewaffneter Bedrohung wir gegenüberstehen, und die SHIRUG verfügt über die nötige Beweglichkeit, auszuweichen.«
Es war nicht die Gewohnheit der Regul,
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