Shon'jir – die sterbende Sonne
sie waren dabei auf diesem kahlen, nackten Sand hilflos ausgesetzt. Duncan sah, daß sich die Marschsäule über eine Bodenwelle hinweg erstreckte, und es schien noch unmöglich weit bis zur Spitze zu sein – bei der Geschwindigkeit, mit der er es versuchte, schien es über seine Kraft zu gehen. Er blieb stehen und schnitt sich ein Stück von einem Stengel ab, den schon jemand anders nur als Stummel zurückgelassen hatte – eine Beute, die auch andere sahen, und er bot sie ihnen an, jedoch wollte sich keiner dazu herablassen, sie anzufassen. Er überließ ihnen den Rest, sog das Wasser aus einer abgeschnittenen Scheibe und schaffte es, auf den Füßen zu bleiben und in der Mitte der Marschsäule – außerhalb von ihr, denn er spürte den Haß der anderen, die Blicke, die das Sen ihm zuwarf.
Er hatte sich selbst vor dem Sen verraten; sie wuß- ten, sie hatten gesehen, wer er war – und woher er kam, das vermuteten sie... Sie konnten nicht den Grund dafür kennen, warum sie angegriffen wurden; aber sie wußten, daß sie Mri waren und die Eindringlinge Tsi'mri, und daß sie unter Händen starben, wie er sie hatte.
* * *
Sie wurden nicht angegriffen. Duncan war darüber nicht erstaunt, denn für ein großes Schiff in einer Umlaufbahn gab es wenig Grund, seine Energien auf ein so kleines Ziel zu verschwenden, wie sie es darstellten. Aber die Stadt geriet periodisch unter Feuer. Sie konnten zurückschauen und sehen, wie die Schirme unter dem Ansturm der Strahlung in allen Regenbogenfarben flackerten, und wie die ganze Stadt zunehmend stärker zerstört wurde. Diese Stadt, die sich wie ein Traum vor der untergehenden Sonne abgezeichnet hatte, glühte und starb wie schwelendes Feuer, und die Türme stürzten ein, und die Häßlichkeit breitete sich über sie.
»A-ei«, trauerte eine alte Kath'en. »A-ei.«
Und die Kinder wimmerten verstört und wurden beruhigt.
Das Sen schüttelte die Köpfe, und Tränen zeigten sich auf den Gesichtern der Älteren.
Beim Kel gab es keine Tränen, nur brennende, wü- tende Blicke. Duncan wandte das Gesicht von ihnen ab und ging immer weiter, während die anderen sich ausruhten, bis er schließlich Meleins weiße Gewänder erblickte und den großen Kel'en mit dem Dus neben ihr erkannte.
Sie waren beide unverletzt; es war gut, das zu wissen, und es nahm einen Teil seiner Furcht von ihm. Er behielt sie für den Rest des Tages im Blickfeld, und als sie schließlich beim Anbruch des Abends lagerten, ging er zu ihnen.
Niun spürte Duncans Anwesenheit. Das Dus kam zuerst, und dann wandte sich Niun um und sah ihn näherkommen.
Duncan ließ sich in ihrer Nähe schweigend nieder.
»Alles in Ordnung mit dir?« fragte ihn Niun.
Er nickte.
Melein wandte das Gesicht von ihm ab. »Zweifellos«, sagte sie endlich, »war deine Absicht gut, Duncan. Das glaube ich. Aber es wäre nutzlos gewesen.«
»She'pan«, murmelte er mit einer Geste der Verehrung, war selbst für diese Worte dankbar; er unterließ es, mit ihr zu streiten. Zwischen so vielen Toten hatte Streit keinen Platz.
Niun bot ihm ein Stück von einer Pflanze an. Duncan zeigte jedoch seines und lehnte ab, und mit dem Av'tlen schnitt er ein Stück von seiner Beute ab, das, als er daran saugte, kränklich süß schmeckte. Er hatte einen Knoten im Bauch, der sich nicht auflösen wollte.
Ein Schrei erhob sich vom Kel. Hände deuteten. Das, was wie ein dahinschießender Stern aussah, flog über sie hinweg und senkte sich zum Horizont hinab.
»Sie landen«, brummte Duncan, »dort, wo das Schiff war. Jetzt wird die Suche beginnen.«
»Laß sie in die Berge kommen und nachschauen«, meinte Niun.
Duncan hielt sich den Bauch mit der Hand und hustete, und er wischte sich die Schmerzenstränen aus dem Gesicht. Er stellte fest, das er zitterte.
Er wußte auch, was getan werden mußte.
Er ruhte sich aus. Als es Zeit war, entschuldigte er sich mit einem gemessenen Achselzucken, mit dem ein Mann ein privates Geschäft andeutete, stand auf und verließ die anderen; das Dus folgte ihm. Er hatte Angst und versuchte, dieses Gefühl zu unterdrücken, denn das Dus konnte es weitersenden. Vor sich erblickte er die Wüste; er spürte die Schwäche seiner Glieder und der Schrecken überwältigte ihn beinahe, aber er hatte keine Wahl.
Das Dus sandte plötzlich einen Schutzimpuls aus und drehte sich um.
Er blickte zurück, erkannte das andere Dus.
Da war ein schwarzer Schatten ein Stück seitlich des Tieres. Duncan erstarrte, als ihm einfiel, daß
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