Shon'jir – die sterbende Sonne
regelmäßig angeordnet, wie Punkte auf konzentrischen Kreisen. Sie bildeten eine Anordnung, die groß genug war, um ein Dus zu umfassen.
»Komm!« forderte er das Tier auf, und sie gingen weiter, wobei das Dus unbefriedigt schnaubte, weil es immer noch umkehren wollte.
Aber von irgendeiner anderen Gegenwart hatte es kein Anzeichen gegeben. Es gab die Kälte und den Wind und das strömende Licht Na'i'ins; es gab ihre eigenen Spuren, die der Wind rasch verwischte, und einmal – nur ein einzigesmal – eine hochgewachsene schwarze Gestalt auf einem Dünenkamm.
Einer der Kel'ein, ein Läufer des Volkes, vielleicht von einer anderen Gruppe, der sich in Überheblichkeit sehen ließ. Duncan hatte sich dem ausgesetzt gefühlt, an sein mangelndes Geschick mit den Yin'ein gedacht... das Unbekannte unter dem Sand erschreckte ihn nicht halb so sehr, wie der Gedanke an ein Zusammentreffen mit anderen Mri...
... an ein Zusammentreffen mit einer anderen She'pan. Es war, dachte er, Furcht von einer Art, wie Mri sie verspürten – ein Zögern, aus der Vertrautheit mit Meleins Gesetz auszubrechen. Aus dieser Furcht heraus hielt er sich mit der Umsicht eines Mri an tiefe Stellen, an Abhänge, an Deckung, wie das Land sie bot; und seine Augen, durch das gesenkte Visier behindert, beobachteten vorsichtig den nackten Horizont, wenn er sich wieder über eine ebene Stelle wagen mußte.
Um die Mittagszeit kam die mächtige Schneise des verdunstenden Meeres in Sicht. Er starrte in die dunstige Tiefe hinab, in die hinein sich windgetriebene Sandschleier ergossen, und angesichts derartiger Dimensionen verlor er seinen Sinn für Höhe und Tiefe. Als er jedoch forschend zum Horizont blickte, wußte er, wo er sich befand, gar nicht weit von seinem Ziel.
Er ging weiter, und inzwischen quälte der Mangel an fester Nahrung seinen Magen. Der Schmerz in seiner Seite war ständig gegenwärtig, und der in seiner Brust pochte im Rhythmus mit der Ebbe und Flut seines Lebens.
Dus.
Er spürte es und sah auf, als hätte ihn jemand beim Namen gerufen. Niun? fragte er sich beim Umschauen und glaubte es doch nicht. Niun war beim Volk, sicher hatte er weder Melein noch die ihm Anvertrauten verlassen. Da waren Kath und Sen, die einen solchen Weg nicht zurücklegen konnten, wie er es getan hatte, der er Kel'en war und unbehindert.
Und doch gab es die Dus-Gefühle.
Links. Rechts. Prüfend betrachtete er den Horizont, streichelte die samtpelzigen Fleischmassen im Nakken seines Tieres, befragte dessen Geist. Er empfing einen Schutzimpuls von ihm.
Also war es keine Einbildung.
Die Haare auf seinem Nacken kribbelten, während er weiterging und sich ständig des Gewichtes bewußt war, das auf seinen Sinnen lastete.
Bruder-Gegenwart.
Dus-Bruder.
Das Dus neben ihm fing an, ein Lied der Zufriedenheit zu singen, der Harmonie, das Duncan den Schmerz und die Sinne raubte, bis er feststellte, daß er eine weite Strecke zurückgelegt hatte und den Weg nicht mehr kannte.
Nein , sendete das Tier, nein, nein, nein! Er dachte an das Schiff, immer wieder, sehnte sich danach, drängte in seine Richtung.
Bestätigung.
Und Drohung!
Dann kam Dunkelheit, plötzlich und sanft und tief, voller Drohung und voller reißender Klauen und beißender Fänge, und über allem eine Gegenwart, die Duncan nicht loslassen wollte. Immer noch gehend erlangte er wieder das Bewußtsein, erschauerte periodisch im trockenen, kalten Wind. Seine Hände und Arme waren sandverbrannt und blutig und informierten ihn so darüber, daß er einmal gestürzt war, ohne es zu wissen.
Das Schiff , sandte er seinem Dus einen Gedanken.
Feindselige Gefühle hüllten ihn ein. Er schrie in der Dunkelheit auf, und das Dus warf sich ihm in den Weg und stoppte ihn. Er stand zitternd da, während es an ihm reibend um seine Beine strich – eine gewaltige, schwere Kreatur, die ihn umkreiste und ein Muster aus Schritten wob.
Andere kamen, zwei, fünf, sechs Dusei, ein Drittel so groß wie das Tier, das Schutz um ihn wob. Duncan zitterte vor Angst, als sie dicht an ihn herankamen und ihn umzingelten, als eines nach dem anderen sich auf Mannshöhe aufbäumte und wieder herabsank, wobei sie den Sand in Wolken aufstäuben ließen.
Ein Sturmgefühl lag in der Luft, eine schwer mit Drohung beladene Wahrnehmung.
Sturmfreunde wurden sie von den Mri genannt, die großen, massigen Brüder des kalten Windes.
Und kein derartiges Wesen hatte es zuvor auf dem unfruchtbaren Kutath gegeben, kein solches Monster hatte
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