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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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gehört.«
    »In erster Linie benötigst du Kleidung.«
    Duncan überlegte und nickte zustimmend. Er war lange genug mit ihnen zusammengewesen, um zu wissen, daß sein nacktes Gesicht eine Beleidigung war, und vielleicht lang genug, um eine angemessene Scham zu empfinden. »Ich werde mich darum kümmern«, stimmte er zu.
    »Mach das zuerst!« sagte Niun. »Bringe dann den Dusei etwas zu essen und uns beiden! Ich werde jedoch das Essen der She'pan zu ihr bringen.«
    »In Ordnung«, sagte Duncan. Niun sah zu, wie sich der Mensch aufrappelte und in einen Bademantel hüllte – einen blauen, was die Farbe des Kath war, für einen Mann nicht angemessen. Niun überlegte, wie ungehörig das war, welch gewaltige und unschuldige Unterschiede es zwischen Mri und Mensch gab, und was er da auf sich genommen hatte. Er protestierte nicht gegen Duncans Bekleidung, noch nicht. Es gab andere und ernsthaftere Dinge.
    Niun versuchte nicht, aufzustehen, nicht, bevor Duncan den Raum verlassen hatte, denn er wußte, daß es schwierig und beschämend sein würde. Mit Hilfe der Dusei schaffte er es und stand schwer atmend an die Wand gelehnt, bis ihn seine Beine tragen wollten. Er konnte nicht gegen den Menschen kämpfen und gewinnen, noch nicht: und Duncan wußte das, wußte es und lehnte es immer noch ab, den Zorn der Dusei zu riskieren oder einen Streit mit ihm oder seine Kenntnis des Schiffes dazu zu nutzen, ihnen eine Falle zu stellen und die Kontrolle zurückzugewinnen.
    Und er hatte die Aufgabe übernommen, den Menschen zu zerstören.
    Wenn er vergessen hat, daß er ein Mensch ist, hatte Melein gesagt , wenn er ein Mri geworden ist, dann will ich sein Gesicht sehen.
    Duncan hatte dem zugestimmt. Niun war darüber bestürzt, wußte mit Sicherheit, daß er lieber gestorben wäre, als solche Bedingungen von Menschen zu akzeptieren. Wenn andere Dinge es nicht geschafft hatten, ihn zu töten, dann wäre es dabei geschehen, vom Herzen ausgehend.
    Und eines Tages, wenn Duncan ein Mri geworden war, dann würde er nicht mehr fähig sein, sich zu beugen. Seine Ergebenheit war Tsi'mri und mußte zusammen mit allem anderen abgelegt werden: der naive, kindliche Mann, der sich ihnen angeschlossen hatte, würde nicht mehr existieren.
    Niun dachte insgeheim, daß er den Mann vermissen würde, den sie gekannt hatten; und allein diese Erkenntnis ließ ihn sich unbehaglich fühlen, daß ein Tsi'mri seinen Verstand und sein Herz so erweicht haben sollte. Die schlimmsten Taten, sagte er sich, mußten sicherlich aus Unentschlossenheit hervorgehen, aus halbherzigem Tun. Melein hatte Angst vor dem gehabt, was er vorschlug, hatte sich dagegen ausgesprochen mit etwas, das – wie er verzweifelt hoffte – keine Voraussicht war. Sie hatte es ihm nicht verboten.
    Behutsam ging er mit seinen erschöpften Beinen ins Bad und begutachtete dort die Dinge, die Duncan gehörten. Sie mußten verschwinden, die Kleidung, die persönlichen Dinge, alles: wenn er nicht mehr durch die Dinge, die ihn umgaben, an Menschen erinnert wurde, dann würde auch Duncan nicht mehr erinnert werden.
    Und wenn es dem Menschen möglich war, sich zu ändern, dann war es am besten, es schnell herauszufinden. Neuformung war eine Sache, und eine andere war es, zu zerstören und nichts an seinem Platz zu lassen. Als Mri hatte Niun es nicht von seinen Meistern gelernt, grausam zu sein, sondern nur mitleidlos und ohne Wunsch nach Mitleid.
    Er sammelte auf, was er von Duncans Sachen finden konnte, und brachte sie ins Labor, wo es, wie er wußte, einen Müllschacht gab: er warf sie hinein und fühlte einen Stich der Scham über das, was er tat; es schien ihm jedoch falsch zu sein, Duncan zu zwingen, das selbst zu machen, aufzugeben, worauf er Wert gelegt hatte – eine Erniedrigung des Mannes, und das würde er nicht tun.
    Und als das erledigt war, blickte Niun sich im Labor um, sah das Schränkchen, aus dem Duncan seine Medikamente geholt hatte, und entschloß sich noch zu anderen Dingen.
    Die Tür wollte seiner Hand nicht nachgeben, also zog er die Pistole und zerstörte das Schloß, und danach ging sie leicht auf. Ladung auf Ladung schleppte er Tsi'mri-Medizin und -Ausrüstung zum Müllschacht und warf sie hinein, während die Dusei dabeisaßen und mit ernsten und glitzernden Augen zuschauten.
    Und plötzlich standen die Tiere alarmiert auf, scheuten zur Seite vor Duncans Gegenwart im Eingang.
    Niun, die Hände voll mit den letzten Medikamenten, warf sie in den Schacht und stellte sich erst dann

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