Shon'jir – die sterbende Sonne
größten She'panei über die Voraussicht verfügten, die größten und heiligsten, die jemals das Volk geführt hatten. Und ein Gefühl der Ehrfurcht ergriff von ihm Besitz, als er erkannte, daß Melein solch eine war, sie, die eines Blutes mit ihm war. Diese Verwandtschaft erschreckte ihn, die Überlegung, daß ihre Erbschaft auch die seine war, daß auch in ihm etwas ruhte, das er nicht begriff und über das er keine Macht hatte.
Sie führte sie heim .
Die bloße Vorstellung schon war ihm neu: Heimat – A'ai sa-mri , die Anfänge des Volkes. Er wußte, wie es sicherlich alle Mri immer gewußt hatten, daß es einmal eine andere Welt gegeben haben mußte als die verschiedenen Heimatwelten nach eigenem Gutdünken, obwohl gesungen wurde, daß das Volk aus der Sonne geboren war. Sein ganzes Leben lang hatte er immer nur zur roten Scheibe Arains aufgeblickt, und unter der Disziplin des Kel und den Belangen seines vorherigen Lebens hatte er es seiner Neugier niemals erlaubt, sich hinter dieser Grenze seines kindhaften Glaubens zu ergehen.
Es war ein Mysterium, und keines, das zu seiner Kaste gehörte.
Aus der Sonne geboren. Eine goldene Haut hatten die Mri, bronzene Haare und goldene Augen: es war ihm nie zuvor in den Sinn gekommen, daß in diesem Lied die Anspielung auf eine Sonne von anderer Färbung verborgen lag, und daß es mehr erklärte als nur den Brauch des Kel, dessen Angehörige vorzugsweise Raumfahrer waren, die ihre Toten in das Feuer der Sterne warfen, auf daß nicht die dunkle Erde von Ihnen Besitz ergriff.
Er hielt den Blick auf den vor ihnen liegenden Stern gerichtet, fragte sich, wo sie sich wohl befanden, ob immer noch im Regul-Raum oder anderswo. Dies war ein Ort, der Generationen vor Kesrith bekannt gewesen war, von dem die Hände gewußt hatten, die diese Aufzeichnung des Pan'en angefertigt hatten. Und auch hier hatte das Volk gedient. Regul-Raum oder nicht, es mußte so gewesen sein: das Kel hatte sich zum Kämpfen anheuern lassen, wie immer es gewesen war – Söldner, von deren Gold das Volk lebte. Etwas anderes konnte Niun sich nicht vorstellen.
Sterne über Sterne.
Und von einem nach dem anderen hatte das Volk Abschied genommen; so geschah es in den Dunkelheiten. Es war undenkbar, daß es zersplitterte. Alle, alle waren immer gegangen – und was sie bewegt haben mochte, ging über Niuns Vorstellungsvermö- gen hinaus, abgesehen davon, daß die Vision einer She'pan sie geführt hatte. Entweder waren sie zu einer anderen, nahegelegenen Welt gegangen oder in eine Dunkelheit; und in dieser Dunkelheit, auf dieser Reise, vergaßen sie stets alles, was mit dem verlassenen Stern zu tun hatte und dem früheren Dienst; sie hatten die nächste Sonne erreicht und einen anderen Dienst; und danach kehrten sie in die Dunkelheit und ein weiteres Vergessen zurück, ein Kreislauf ohne Ende.
Bis Kesrith, bis sie beide heimzukehren begannen – eine Reise, mit der die Ära des Dienstes an den Regul, die zweitausend Jahre, die er für die gesamte aufgezeichnete Geschichte gehalten hatte, ein bloßes Zwischenspiel wurde.
Von der Dunkelheit am Anfang Zur Dunkelheit am Ende,
So sang das Volk im heiligsten aller Lieder.
Dazwischen eine Sonne, Aber nach ihr Dunkelheit, Und in dieser Dunkelheit, Ein Ende.
Zigmale hatte er das Ritual gesungen, das Shon'jir , den Gesang des Erlöschens, des Vergehens, gesungen bei Geburten und Todesfällen, Anfängen und Enden. Für einen Kel'en hatte es nur von Geburt und Tod von Einzelpersonen gesungen.
Begreifen dämmerte vor ihm, verwirrend in der Perspektive. Mehr Sterne erwarteten sie, und jeder von ihnen war von den Kel'ein seines Zeitalters für die Sonne gehalten worden, jedes Zeitalter für die gesamte aufgezeichnete Geschichte – bis sie beide auf ihrer eigenen Heimreise vorbeikommen sollten, heim, zur Sonne selbst.
Zum Ursprung des Volkes.
Zur Hoffnung, der schwächsten aller Hoffnungen, daß noch andere verblieben sein mochten: Niun hegte diese Hoffnung, wußte, daß sie sich sicherlich als falsch herausstellen würde. Nachdem soviel Unglück sie befallen hatte, war es unmöglich, daß es noch so ein Gutes geben würde. Sie beide waren die letzten Kinder des Volkes, geboren, um das Ende von allem zu sehen, Ath-ma'ai , Grabwächter nicht nur für eine She'pan, sondern eine ganze Rasse.
Und doch waren sie frei und besaßen ein Schiff.
Und vielleicht – ein religiöses Gefühl regte sich in ihm und eine große Furcht – war es etwas anderes, für das sie
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