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Shon'jir – die sterbende Sonne

Shon'jir – die sterbende Sonne

Titel: Shon'jir – die sterbende Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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allem betäubte den Sinn für Verlust.
    Bereits an der Station waren die Labors zum größ- ten Teil leergemacht worden, von allem befreit, was man als unnötig für die Mission eingeschätzt hatte – und alles, was er verzweifelt gerne gerettet hätte, war bereits von Niun zerstört worden. Duncan beendete diese Arbeit bis zu den Leisten, an denen das Mobiliar befestigt gewesen war, scheuerte die Böden und Wände mit einem chemischen Mittel und hinterließ alles in einem für Niun akzeptablen Zustand – denn diese größte Kabine auf dem Schiff hatte Niun als seine ausgesucht.
    Danach schlief Duncan auf einem Lager, das nicht dicker war als eine zusammengefaltete Decke, erwachte steif und fing in der kalten Luft wieder an zu husten. Das veranlaßte ihn, über seiner Gesundheit zu brüten und verzweifelt an die Medikamente zu denken, die Niun vernichtet hatte, aus diesem und aus anderen Gründen.
    Aber Niun betrachtete ihn mit einigen Betroffenheit, forderte ihn an diesem Tag nicht zur Arbeit auf und übernahm selbst die Vorbereitung der Mahlzeiten und die Pflege der Dusei. Niun blühte in der kalten und dünnen Luft auf, hatte seine gebrechliche, torkelnde Gangart verloren und wurde nicht mehr so schnell müde.
    »Du ruhst dich aus«, verlangte er von Duncan, als dieser auf dem Versuch beharrte, seinen Arbeitsplan einzuhalten. Duncan zuckte die Achseln und behauptete, daß die Maschinen ohne ihn nicht funktionieren würden, was nicht stimmte. Der Gedanke an Untätigkeit flößte ihm jedoch Panik ein, an das Herumsitzen in der Schale, als die er die Labors und den Rest des Schiffes hinterlassen hatte, ohne Bücher – Niun hatte die Buch- und Musikbänder aus seinem Quartier herausgeworfen –, ohne irgendeine Beschäftigung für Hände oder Geist.
    Und als er dazu gezwungen wurde, kehrte er in das Labor zurück, diesen entleerten weißen Raum, und setzte sich in die Ecke, wo ihm wenigstens sein und Niuns Lager und das Zusammenlaufen der Wände ein Gefühl des Untergebrachtseins vermittelten. Dort saß er, wie er es spät nachts tat, um einzuschlafen, und fügte Zahlenketten aneinander, vollzog komplexe Kalkulationen von imaginärer Navigation – irgend etwas, um die Stunden zu füllen. Er beobachtete den sich nicht verändernden Sternenschirm, die einzige Ausstattung des Labors. Die einzigen Geräusche waren das Flüstern der Luft in den Rohrleitungen und der stetige Arbeitston der inneren Funktionen des Schiffes.
    Und sonst nicht.
    Nichts.
    Niun war an diesem Tag lange weg – bei Melein, vermutete Duncan, in dem Teil des Schiffes, der ihm versperrt war. Selbst die Dusei, die Niun ständig begleiteten, waren weg. In seiner Untätigkeit fand Duncan ein Metallstück und fertigte ein Muster auf den Fliesen neben seinem Lager und machte dann mit einem gewissen grimmigen Humor Markierungen für die Tage, die vorbeigegangen waren, die Tage der Schiffszeit. Er tat dies in der verzweifelten Vermutung, daß eine Zeit kommen mochte, wo er an diesem Ort den Bezug zu allem verlieren würde.
    Neun Tage waren es bisher. Selbst dessen war er sich nicht völlig sicher.
    Er fing mit einer Zahlenkette an, lenkte seinen Verstand von den Gitteröffnungen ab, die in seinem Gedächtnis aufzutauchen begannen, versuchte, sich in Regelmäßigkeiten zu verlieren.
    Anders als ein Jo konnte er sich nicht erfolgreich anpassen, dachte er; selbst ein Jo würde in dieser sterilen Zelle nichts vorfinden, nachdem es seine Tarnung gestalten konnte. Es würde schwarz werden wie das erbärmliche Exemplar, das er in Boaz' Labor gesehen hatte, das eine Farbänderung nach der anderen durchlief, bis es bei der auffälligsten aller Farben hängenblieb. Vielleicht war das eine Selbstmordmethode, ein Todeswunsch.
    Er wandte seine Gedanken auch davon ab, aber das Bild kehrte zurück, das Bild der schwarzen geflügelten Kreatur im silbernen Käfig – er selbst aus einer gottähnlichen Perspektive, wie er in der Ecke eines weißen und leeren Raumes saß.
    Neun Tage.
    Am Nachmittag des zehnten Tages kehrte Niun frü- her als sonst zurück, verbannte die Dusei in die gegenüberliegende Ecke des Raumes und entschleierte sich, setzte sich in geringem Abstand Duncan gegenüber mit gekreuzten Beinen auf den Boden.
    »Du sitzt zuviel«, sagte er.
    »Ich ruhe mich aus«, sagte Duncan mit einer Spur von Bitterkeit.
    Niun hielt zwei dünne Metallstangen hoch, nicht länger als eine Hand. »Du wirst ein Spiel lernen«, sagte er, und nicht: Ich werde dich lehren ;

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