Shooting Stars (German Edition)
Fingerabdrücke. Zwei Hautpartikel. Ein Stück abgeschürfte Haut. Das Blut des kleinen Kratzers, den ich mir beim Aufstehen zugezogen habe, nachdem ich Heidi getötet habe. Irgendeine Spur, denke ich, es gibt bestimmt irgendetwas, das ich hinterlassen habe und das sie direkt auf meine Fährte führen wird. Und ich bin mir sicher, dass sie die Tatorte noch einmal untersuchen werden. Sonderermittler, die Interpol, ich weiß nicht wer, aber es wird Menschen geben, die sich noch einmal zeigen lassen werden, woher die Schüsse gekommen sind, die Dieter und Heidi getötet haben. Und diesen namenlosen Bodyguard. Markus S. nannte ihn eine Zeitung. Aber für mich bleibt er namenlos. Er ist bloß wegen seiner Professionalität oder vielleicht auch bloß wegen eines Blickes, den ich für professionell gehalten habe, zu meinem Opfer geworden. Darüber hinaus spielt er in dieser Geschichte keine Rolle. Er ist ein Nebendarsteller.
Collateral dust
, den man schon im Kampf nicht richtig wahrnimmt und den man zwei oder drei Tage nach einem Kampf schon wieder aus dem Gedächtnis gestrichen hat.
Ich frage mich, wie ich damit umgehen werde. Ob ich verhindern kann, dass die Hundertschaften von Ermittlern nicht nur hinter
den Tätern
, sondern ganz konkret
hinter mir
her sein werden. Hinter mir und den Attentätern in Frankreich, denke ich und denke die Attentäter selbst im Plural, falle auf den gleichen Denkfehler herein wie alle anderen auch.
Ich frage mich, ob es besser wäre, eine Zeitlang still zu sein. Mich ruhig zu verhalten. Vielleicht sollte ich meinen Plan besser an die neue Situation anpassen. Mir überlegen, wie ich noch weniger Spuren hinterlassen kann. Ob das überhaupt möglich ist.
Ich habe den Vorteil noch auf meiner Seite. Aber er ist geschrumpft. Sie haben ihn mir genommen. In Frankreich. Weil sie getan haben, was ich nicht in meinen Plan einbezogen hatte. Jetzt noch nicht. In ein oder zwei Wochen, in einem Monat vielleicht hätte ich mit den ersten Trittbrettfahrern gerechnet. Nachdem ich meine Botschaft in die Welt geschickt habe, ja. Nach fünf, sechs oder sieben Opfern. Wenn klar sein würde, was ich will und was mit mir auch die anderen wollen können. Aber jetzt noch nicht, denke ich. Ich habe meiner Botschaft den Boden noch nicht richtig bereitet und schon legen sie mir die ersten wirklich großen Brocken in den Weg.
Meine Wut zieht sich langsam wieder in sich zurück und ich beginne mich wieder zu beruhigen. Denn eigentlich ist es gut. Sie verfolgen eine Spur, die im ersten Schritt von mir wegführt. Und mir ist klargeworden, da sie nichts von meiner Anwesenheit in Europa ahnen, weil die Behörden in Deutschland und in Frankreich und in allen anderen Ländern davon ausgehen, dass ich in Florida bin, ist mir klar geworden, dass ich in Sicherheit bin. Damit ihnen später niemand einen Vorwurf machen kann, werden sie zwar alle Schützen routinemäßig überprüfen. Und anhand des Datensatzes, der ihnen vorliegt und der sie glauben macht, dass ich gar nicht da bin, dass ich nicht da sein kann, weil ich ja auch nicht nach Deutschland eingereist bin, zumindest nicht offiziell, nicht mit meinem richtigen Namen, werden sie feststellen, dass ich nicht in Frage komme.
Ich sehe, dass Frankreich eine große Chance für mich sein kann. Wenn ich sie in ihrem Glauben bestärke, wenn ich ihnen Hinweise liefere, die ihr Bild bekräftigen, kann ich eine Verbindung schaffen, wo es gar keine gibt. Dann kann ich eine Fährte in die falsche Richtung legen, auch wenn ich noch nicht genau weiß wie. Ich werde meine volle Handlungsmacht zurückgewinnen. Und ich werde meiner Botschaft zu ihrem Recht verhelfen. Sie werden hören und ich werde handeln.
6
Ich habe einen neuen Fehler begangen. Denn ich habe Marian angerufen und dafür mein Handy verwendet. Nicht nachgedacht, weil plötzlich, heute Morgen, in mir das Bedürfnis erwacht war, weil ich mehr als alles andere Marian und die Kinder hören wollte. Jetzt, da ich ihnen nahe bin. Weil ich in ein paar Stunden bei ihnen sein könnte. Mit ihnen spielen. Mit ihnen essen. Sie ins Bett bringen. Und im Nachhinein kommt es mir lächerlich vor. Verstehe ich selbst nicht, warum ich diesem Bedürfnis nachgegeben habe.
Denn natürlich hat Marian sofort gefragt, ob ich in der Nähe sei. Ob ich es wieder einmal der Mühe wert fände, mich bei ihr zu melden, weil ich ohnehin gerade irgendwelche Dinge in der Firma zu tun hätte. Zu einem Notar gehen müsse. Oder sonst irgendwelche
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