Shooting Stars (German Edition)
zufallen lassen kann. Es ist dieses Geräusch, das mich an meine Kindheit oder vielleicht auch an meine Jugend erinnert, an den schweren Wagen meines Vaters. Und wie andere sich den Habitus oder die Gesten ihrer Eltern aneignen, habe ich mir vermutlich die Liebe zu Autos wie diesem angeeignet. Dass ich diese Autos mag, denke ich, ist ein Ausdruck meiner Liebe zu meinem Vater. Meine Wertschätzung ihm gegenüber. Es ist eine der Spuren, die sein Leben in meinem hinterlassen hat, und vermutlich würde ich diese Liebe auch weitertragen. Könnte ich Lukas oder Elfi oder beide mit meiner Begeisterung für Limousinen wie diese anstecken. Würden auch sie sich eines Tages für das Fahrwerk dieser Maschinen begeistern oder für den Motor oder die sauber verarbeitete Innenausstattung. In all diese Details fließt das viele Geld, das man für so einen Wagen bezahlen muss, denke ich. Man findet es in jeder Kleinigkeit wieder. Und ich beschloss, gestern Abend beschloss ich, die 500 Kilometer, die vor mir lagen, zu genießen. Die Sitzheizung, die Stereoanlage und all die anderen Annehmlichkeiten, die mir mein nobles Gefährt bieten würde.
Das Wasser, denke ich, ist immer noch die beste Möglichkeit. Wenn man eine Waffe ins Wasser wirft, kann man immer noch sicher sein, dass sie nie gefunden wird. Nach Jahrzehnten vielleicht. Wenn die Fahrrinne der Mosel wieder einmal ausgebaggert werden muss, besteht eine Minimal-chance, dass sie mit den Sedimenten auch die Waffe wieder ausbaggern. Aber das kümmert mich nicht. Es ist mir vollkommen egal, was in ein paar Jahrzehnten sein wird, denke ich. Und erinnere mich an das leise Platschen, mit dem meine P12 versank. Sie schlug noch ein paar Wellen. Aber die Strömung der Mosel schluckte diese Bewegung innerhalb von Sekunden. Und ich stand da, gestern. Sah in die Strömung und überlegte, wo ich essen könnte. Worauf ich Appetit hatte. Und zum ersten Mal nach Jahren hatte ich gestern wieder das Bedürfnis zu rauchen.
2
Ich frage mich, ob sie es schon wissen. Panisch frage ich mich, ob es ihnen reicht, dass ich mein Telefon seit dem ersten Tag dabeihabe. Das Telefon, mit dem ich Marian angerufen und über das ich mir keine Gedanken gemacht habe. Es hat mich wie jeder andere harmlose Gegenstand begleitet. Wie meine Autoschlüssel, mein Reisepass oder eines der Stofftaschentücher, die ich wie ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert mit mir herumtrage. Aber dieses Telefon ist kein harmloser Gegenstand. Und ich frage mich, ob sie schon wissen, dass es ein Handy gibt, das an allen Tatorten war. Das bei jedem der drei Schüsse und das sogar gestern in Koblenz ein Signal an irgendwelche Handynetze gesendet hat.
Auch dieses Telefon ist nicht mit einem festen Vertrag registriert. Trotzdem habe ich es in einem ganz normalen Laden gekauft. Könnte es sein, dass sich einer der Verkäufer an mich erinnert. Und dabei kann noch nicht einmal ich mich an das Gesicht, geschweige denn an den Namen des Mannes erinnern, der mir das Telefon verkauft hat. Aber auch wenn ich nichts mehr von ihm weiß, besteht die Möglichkeit, dass mein Bild von irgendeiner Kamera aufgezeichnet wurde und auf der Festplatte eines Rechner darauf wartet, von einem der Spezialermittlungsteams abgerufen zu werden. Und genau daran habe ich nicht gedacht. Aus mir unerfindlichen Gründen, aus bloßer Dummheit habe ich nie daran gezweifelt, dass es reicht, wenn man ein Telefon nicht registriert. Und plötzlich verstehe ich: Wenn sie wissen, wo mein Telefon war, dann wissen sie auch, dass ich Marian von diesem Telefon aus angerufen habe. Und dann wissen sie vielleicht jetzt schon, wo ich bin. Dann können sie das zumindest wissen. Dann können sie herausfinden, wo ich gestern war. In welchem Hotel ich übernachtet habe. In welchen Cafés ich gesessen habe. Und vielleicht auch unter welchem Namen ich eingecheckt habe. Dann kennen sie meine Identität und damit nehmen sie mir meinen Bewegungsspielraum ebenso wie meine Rückzugsmöglichkeit nach Florida.
Aber auch wenn dieser schlimmste Fall nicht eintrifft, wenn sie meinen Namen nicht über dieses Telefon eruieren können, sind sie mir möglicherweise schon so nah, dass ich kaum noch eine Möglichkeit habe zu entkommen. Und ich hoffe, denn alles, was mir bleibt, ist zu hoffen, dass sie das nicht dürfen. Dass sie das auch jetzt, nachdem sie auf den Straßen und hinter den Kulissen schon alles daransetzen, mich zu fassen, nicht dürfen. Ohne Zweifel könnten sie es. Und weil ich gerade
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