Shopping and the City
Fleisch und Blut war Caprices Figur bedeutend kurvenreicher, als es auf dem Bildschirm den Anschein hatte. Blickfang und Schwerpunkt ihrer ansonsten makellos modeldürren Statur war ihr derrière . Ganz ehrlich,
es führte nichts daran vorbei. Wortwörtlich. Dieser Po hatte praktisch ein Eigenleben.
»Es spricht!« Caprice überging die Beleidigung und erwiderte das Lächeln. »Vielleicht können wir ihm ein Kunststückchen beibringen. Zum Beispiel, sich in Luft aufzulösen.« Sie fuchtelte abfällig mit ihrer Hand vor der Nase der Zimtzicke.
»Du hast wirklich einen köstlichen Humor«, erwiderte diese. »Der muss Mädels aus der Bronx wohl angeboren sein.«
»Das Komische ist, Brooke, dass Mädel von der Upper East Side immer denken, ihnen gehöre die ganze Stadt.« Die Zimtzicke hatte also einen Namen.
Merken: In Zukunft die Brooke-Kuh meiden wie die Pest.
Die beiden begannen ein stummes Blickduell, das eine schiere Ewigkeit dauerte.
»Okay, Caprice, zum Glück für dich und Dorothy hier hält unsere Freundin an einem anderen Tisch Hof, stimmt’s, Mädels?«
»Stimmt. Total«, bestätigte ihr Gefolge.
»Du kannst diesen behalten – er steht sowieso am Ende der Welt«, sagte sie hämisch.
»Ja«, stimmte ihr Gefolge mit ein. »Total!«
»Und du und ich sind uns nicht zum letzten Mal begegnet«, erklärte Brooke und durchbohrte mich mit ihrem Blick. »Ich habe ein gutes Gedächtnis, und dann werde ich nicht so zuvorkommend sein.« Sie stöckelte davon, während ich versuchte zu verdauen, was gerade passiert war.
Zuerst einmal wunderte ich mich natürlich, warum Caprice mir in dieser Weise zur Hilfe gekommen war. Sie setzte sich, und ich stierte sie nur sprachlos mit offen stehendem Mund an. Evie hatte recht, sie war wunderschön! Übernatürlich schön! Es war, als würde ich in das Gesicht einer Göttin starren. Sie erwiderte mein Starren eine schiere Ewigkeit lang mit den schönsten rehbraunen Augen, die ich je gesehen hatte. Schließlich schüttelte Caprice ihr pechschwarzes Haar gekonnt über ihre Schulter und winkte einen Kellner heran.
»Ich kann einfach nicht begreifen, dass du ihr erlaubt hast, so mit dir zu reden«, sagte sie schließlich.
»Oh, na ja, ich …«
Der Kellner kam mit einem Tablett voller kleiner Leckereien, welche Caprice voller Muße inspizierte, während er sie anhimmelte.
»Die hat vielleicht Nerven. Ich habe sie das schon in anderen Clubs tun sehen – sie und ihre lächerlichen Wolfes-Rudel-Freunde. Ich konnte sie schlicht nicht wieder damit durchkommen lassen.«
»Was ist ein Wolfes-Rudel?«
»Eine Clique von Mädchen um Candy Wolfe, die sich für was Besseres halten, mehr nicht. Um ehrlich zu sein, es überrascht mich, dass sie sich ohne ihre Rudelanführerin herausgetraut haben … Ich hoffe jedenfalls, du nimmst mir nicht übel, dass ich eingegriffen habe – du sahst aus, als könntest du eine Freundin brauchen«, sagte sie, während sie eine Tonne Garnelen auf einen winzigen Teller türmte. Sie lächelte den verzückten Kellner an und schickte ihn mit einer wedelnden
Hand weg. »Außerdem erinnerst du mich an meine kleine Schwester.«
»Wirklich?«, hauchte ich supergeschmeichelt.
»Ja. Manchmal fehlt sie mir sehr. Sie lebt noch immer in Puerto Rico.« Caprices Miene wurde traurig, und ich hielt es für das Beste, keine Fragen zu stellen, daher sagte ich: »Nun, ich schätze, ich habe mir gerade meine erste Feindin eingehandelt. Ein glänzender Beginn für ein neues Leben.«
»Ach, mach dir ihretwegen keine Sorgen. Das ist alles nur heiße Luft. Bist du neu in New York?«
»Wenn man so will. Mit etwas Glück mache ich hier ein Sommerpraktikum. Was ist mit dir? Bist du aus New York?«
»Oh ja. Aus der Bronx«, antwortete sie und warf ihren Kopf in den Nacken, um ein Stück Garnele zu verschlingen, »mit Umweg über Puerto Rico.«
»Habe ich dich nicht gerade erst gesehen, in der Proenzzz …« (Ich habe eindeutig immer noch ein Problem mit dem Namen.) »In der Oscar-de-la-Renta-Modenschau?«
»Oh, das ist schon ein paar Monate her. Ja, Oscar ist echt klasse, wenn es darum geht, jungen Latinas eine Chance zu geben, aber der große Durchbruch für mich lässt entschieden noch auf sich warten. Zu sagen, dass ich für ein Model eine ungewöhnliche Figur habe, ist eine Untertreibung, für den Fall, dass du es nicht bemerkt hast. Aber ich werde es irgendwann schon schaffen.«
Mein Blick fiel auf ihr sagenhaftes goldenes Bettelarmband,
und um die
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