Shotgun Lovesongs
du? Ich will, dass wir …« Ich hielt inne, starrte auf meine Hochzeitsschuhe hinunter. »Ich will, dass wir Freunde sind.«
Er beugte sich nah zu mir herüber. »Komm schon«, sagte er. »Trink dein Bier aus. Lass uns zurück zur Party gehen.« Er trank seins in einem Zug aus und stellte das Glas neben das eisverkrustete Fenster, dorthin, wo die Wärme der Neonlichter ein kleines Loch in die Eiskruste geschmolzen hatte. Ich folgte ihm hinaus in die Kälte.
Der Nachthimmel war von vollkommener Schönheit. Auf der Hauptstraße war entfernte Musik zu hören, hupende Autos, die in der Ferne verschwanden, vereinzeltes Gelächter.
»Ich glaube, ich kann die Mühle noch ungefähr ein Jahr über Wasser halten. Dann geht sie unter«, sagte Kip. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt. Er sah mich an, nicht traurig, sondern entschieden, und ich verstand.
»Wie sich herausgestellt hat, habe ich mich doch ein wenig überhoben.« Er blies seinen dampfenden Atem in die Luft und zuckte mit den Schultern. »Ich bitte dich nicht um deine Hilfe. Es ist nicht das erste Mal, dass diese verdammteMühle vor die Hunde geht, und es wird auch nicht das letzte Mal sein.«
Ich ging neben ihm her, während mein verschwitzter Körper in der kalten Luft abkühlte. Die Musik auf der Party war langsam geworden, und ich stellte mir die Paare vor, wie sie eng aneinanderrückten, sich an den Händen hielten, wie die Frauen ihre Köpfe auf die Schultern ihrer Tanzpartner legten. Ich dachte an Beth und schüttelte den Gedanken dann sofort ab. Seltsam, dass ich in diesem Moment an Beth gedacht hatte und nicht an Chloe.
»Wie viel brauchst du?«, fragte ich.
Er zuckte wieder mit den Schultern. »Scheiße, Lee, ich stecke bis zum Hals drin. Selbst wenn der Umsatz steigen sollte, kann ich die Kreditraten nicht zahlen. Verstehst du? Das Ding zu renovieren war das eine, aber die Einnahmen sind eine ganz andere Sache.« Er trat gegen einen Eisbrocken und wischte mit der Hand durch die Luft. »Vergiss einfach, dass ich was gesagt habe. Du hast bestimmt schon genug Leute, die dich um Geld anhauen. Lass uns einfach zurückgehen und unseren Spaß haben.« Er beschleunigte den Schritt, überholte mich und schüttelte den Giroux-Brüdern die Hände, die draußen vor der Mühle standen und rauchten. Sie nickten mir zu.
Unten im Keller der Mühle drehte sich alles in einem langsamen Tanz. Dort waren Ronny und Lucy, die einander umkreisten wie zwei Planeten, während Lucys großer, fester Bauch sich gegen Ronnys schlanken Körper presste. Ich sah ihnen zu, sah Henry und Beth beim Tanzen zu, sah, wie Felicia zu Kip kam und ihn auf die Tanzfläche zog, sah, wie sich lauter Mauerblümchen von der Wand lösten und sich zum Rest von Little Wing gesellten, aber niemand kam zu mir und es gab keine Bar, zu der ich mich hätteflüchten können, und ich hatte auch kein teures Mobiltelefon, in das ich mein Gesicht hätte versenken können. Es gab nichts als die Lichter der Discokugel, die wunderbar knurrende Stimme von Louis Armstrong und den verzweifelten Wunsch, nicht allein zu sein.
»He«, sagte eine Stimme. »Willst du tanzen?«
Ich schaute auf und sah eine Frau neben mir stehen. Ihr Gesicht war von Sommersprossen übersät. Sie trug ein rosafarbenes Kleid, hatte lange rote Haare und die freien Schultern waren sehr blass.
»Hallo«, sagte ich. »Ich bin Lee.«
»Rachel«, antwortete sie und schüttelte mir die Hand. »Ich bin Lucys Cousine. Aus Milwaukee.«
Ich wies mit dem Finger auf die Braut. »Cousine?«
Sie biss sich auf die Lippen und nickte dann. »Also, willst du jetzt tanzen oder nicht?«
»Klar.«
Sie führte mich auf die Tanzfläche zu meinen Freunden und wir tanzten miteinander und für eine Weile war ich nicht mehr allein. Ich starrte auf Rachels Schultern. Ab und zu warf die Discokugel einen Konfettiregen aus Lichtern auf ihre Haut und das Einzige, was ich in diesem Moment tun wollte, war, diese Sommersprossen zu berühren, jede einzelne von ihnen, für den Rest meines Lebens.
Ich verbrachte die Nacht in ihrem Motel, aber als ich sie morgens auf einen Kaffee und ein paar Pfannkuchen zu mir einlud, lächelte sie nur in einer sehr liebreizenden Weise, küsste mich auf die Stirn und sagte: »Ich werde dann jetzt mal duschen.«
Und so fuhr ich allein nach Hause, durch Little Wing hindurch, durch die stillen sonntäglichen Straßen. Aufdem Parkplatz vor der evangelischen Kirche standen schon ein paar Autos und noch ein paar mehr vor dem
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