Shotgun Lovesongs
durch das Haus drehte ich den Thermostat auf und wartete auf das Ächzen des guten alten Heizkessels im Keller. Dann schaltete ich ihn wieder aus. Ich öffnete die Fenster, machte das Radio an, riss noch einmal den Kühlschrank auf, um zu schauen, ob vielleicht durch irgendeinen Zauber plötzlich mehr Bier und etwas zu essen darin aufgetaucht waren. Ich schloss die Kühlschranktür wieder. Öffnete sie noch mal – er war immer noch leer.
Während ich über der Toilette im Bad stand und pinkelte, schüttete ich mir mit der anderen Hand das Bier in den Mund: ein Siegerfrühstück, wie es im Buche stand. Am Badezimmerspiegel klebte ein Foto von Chloe auf Kips Hochzeit. Ein perfektes Bild von ihr. Einer der Paparazzi, ein Freund von ihr aus New York, der für eines der Supermarkt-Klatschblätter arbeitete, hatte es gemacht und ihr dann einen Abzug geschickt, zusammen mit einem Brief, in dem er sich für den Überfall auf uns entschuldigte. Er hatte noch ein paar andere gute Bilder von uns beiden mitgeschickt, aber die hatte ich alle in New York gelassen. Die konnte sie behalten, wenn sie wollte. Ich fragte mich, ob sie das wohl tun würde.
Souvenirs. Erinnerungsstücke. Andenken.
Ich zog ab und ging rüber zur Badewanne. Der Duschkopf spuckte erst ein wenig, aber dann verströmte er so viel heißes Wasser, dass alle Spiegel beschlugen und der Raum wunderbar warm wurde. Anscheinend hatte ich vergessen,die Warmwasserheizung auszuschalten – ein sehr erfreulicher Fehler. Ich zog mich aus, warf meine Kleider zu einem Knäuel auf den Boden und stieg unter den Wasserstrahl – nur, um sofort wieder triefend hinauszusteigen und mir die braune Bierflasche zu schnappen. Dann kehrte ich unter die Dusche zurück. Ich lehnte mich dankbar gegen die gekachelte Wand und schluckte – mitten im prasselnden Wasser stehend, das so heiß war, dass meine blasse Haut ganz rot wurde – das kalte Bier hinunter. Ich schloss die Augen, atmete tief durch, ließ mich nach unten in die Badewanne rutschen und schlief ein, während das heiße Wasser unablässig auf mich herabregnete.
Zu Hause .
Ich weiß nicht, wie lang ich geschlafen hatte, aber es konnte nicht besonders lang gewesen sein. Ich wachte mit einer leeren Flasche Leini’s zwischen den Beinen auf. Das Wasser, das auf mich herabfiel, war kalt. Wenn Chloe mich jetzt hätte sehen können: eine gottverdammte, schon von einem Bier betrunkene, schlotternde Dörrpflaume, die auf dem Badezimmerboden liegend ihre Wunden leckt. Sei’s drum, es gab eine Menge zu tun. Ich musste zurück zum Umzugswagen. Und: Bier. Ich brauchte dringend Bier. Ganze Kästen voll. Und was zu essen. Mein Gefrierschrank musste bis oben hin mit Pizzas und Fischstäbchen vollgestopft werden. Und mein Kühlschrank mit Bratwürsten, Steaks und Schweinekoteletts.
Ich stellte mich vor den Badezimmerspiegel und betrachtete mich prüfend: Ich sah aus wie ein streunender Hund. Ein gottverdammter streunender New Yorker Hipster-Hund.
Scheiß drauf . Es war höchste Zeit, sich für den Winter zuwappnen. Ein paar Pfund mehr auf die Rippen zu bekommen. Etwas Holz zu hacken. Ich schlang mir ein Handtuch um die Hüften, verließ das Bad und ging in mein Schlafzimmer, wo ich ein paar von meinen Kleidern anzog – ein altes grünes Chamois-Hemd und eine Carhartt-Hose und ein paar wunderbar dicke Wollsocken. Dann setzte ich mir noch eine alte Baseballkappe der Milwaukee Brewers auf den Kopf und ging ins Wohnzimmer.
Und dort, mitten in meinem Wohnzimmer, stand vierbeinig und gelbfellig ein Kojote – und hinter ihm stand die Eingangstür immer noch weit offen. Ich erstarrte. Der Kojote hob den Kopf, musterte mich und hob dann eine weißbestrumpfte Tatze, schlug mit seinen Krallen in die Luft zwischen uns.
Ich kann nicht sagen, wie lange wir so dastanden und uns gegenseitig beschnupperten, aber schließlich war ich entschlossen genug, um mit scharfer Stimme »Schschh! Hau ab!« zu rufen. Ich hatte Angst gehabt, meine Stimme würde versagen.
Und er ging tatsächlich, drehte sich langsam um, wie ein gescholtener Hund, und lief geradewegs wieder zur Haustür hinaus. Erst trabte er nur, aber auf dem Rasenstück, das zwischen meinem Haus und der Auffahrt liegt, begann er plötzlich zu rennen und verschwand schließlich in der Wiese, wo ich hier und da noch seinen gelbweißen Rücken über den hohen Gräsern und Wildblumen auftauchen sah. Mit zitternder Hand machte ich die Haustür zu. Und dann schloss ich sie sogar ab – etwas, das
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