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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Rehe.
    Wenn du in einer Großstadt die Tür offen stehen lässt, dann sind, wenn du aufwachst, deine Möbel und Kleider weg. Wenn du hier die Türe offen lässt, kommt ein Kojote herein und will etwas zu essen von dir.
    Hier ist mein Zuhause. Hier ist der Ort, der als Erstes an mich geglaubt hat. Der immer noch an mich glaubt. Dies ist der Ort, der die Lieder meines ersten Albums hervorgebracht hat.
    Ich rief Henry an. Doch es war Beth, die den Anruf entgegennahm.
    »Hallo, Beth«, sagte ich.
    »Lee?«, fragte sie. »Leland? Bist du das? Ist alles okay?«
    »Äh, ja, klar, Beth. Alles ist prima, wirklich prima.«
    Es war mir peinlich. Peinlich, kaum älter als dreißig zu sein und bereits vor der Scheidung zu stehen. Henry und Beth sind schon seit einer Ewigkeit zusammen. So kommt es mir jedenfalls vor. Ich habe sie noch nie streiten sehen. Sie scheinen sich nicht einmal zu zanken. Dieses wunderbare Haus, das sie haben, ihre wunderbaren Kinder. Alle sind die ganze Zeit im Freien, spielen oder arbeiten oder tun sonst irgendwas. Wie oft bin ich zu ihrer Farm gekommen und sie saßen alle draußen am Gartentisch, aßen zu Abend, reichten sich gegenseitig Schüsseln mit Was-weiß-ich-was darin, so als wäre es das Natürlichste der Welt. Oder Henry ist draußen auf den Feldern, in seinem Geräteschuppen, im Melkstand, auf der Weide bei seinen Kühen: bringt Kälber zur Welt, setzt Spritzen, reinigt mit den Händen ihre Zitzen – reibt rostfarbenes Jod auf die blasse rosafarbene Haut. Die Browns führen ein so unkompliziertes Leben, so scheint es mir. Ich beneide Henry schon seit Jahren. Er ist mit einer wunderschönen Frau verheiratet und tut genau das, was er gerne tut. Dort draußen, unter der Sonne, mit allem um ihn herum verbunden. Wenn er mich nur ließe, würde ich in ihre Farm investieren. Ich würde alles, was ich besitze, hineinstecken. Ich würde dieMusik aufgeben, um von ihm zu lernen, und dann auf meinem eigenen Land einen kleinen biologischen Betrieb errichten. Ich würde Möhren anbauen. Unzählige Hektar Möhren. Ich würde sie mit meinen eigenen Händen aus der Erde ziehen, große orangefarbene Möhren so süß wie Zucker. Ich würde einen riesigen Schlauch bis hinaus zum Feld verlegen und meine ellenlangen, zuckersüßen Bio-Möhren damit abwaschen. Und jeden Tag gut zwei Dutzend davon essen.
    Aber in diesem Moment, als ich mit Beth telefonierte, immer noch ein wenig benebelt von dem einen Bier und der langen Fahrt Richtung Westen, kam mir alles in meinem Leben sehr verworren und offen gesagt auch ziemlich deprimierend vor. Ich hatte es nicht einmal geschafft, ein Jahr lang verheiratet zu bleiben. Ich hatte es nicht geschafft, Chloe dazu zu bringen, mich zu lieben. Und was die Sache noch schlimmer machte, ich hatte meinen Heimatort und alle meine engsten Freunde im Stich gelassen, nur um mich in New York wichtigzutun.
    »Wo bist du?«
    Und was noch dazukommt: Ich war mein Leben lang mit mindestens halbem Herzen in Beth verliebt gewesen. Ich habe das nie irgendjemandem gegenüber eingestanden. Genauer gesagt hatte ich es bis zu diesem Augenblick, als ich mit ihr telefonierte, wohl nicht einmal mir selbst eingestanden. Aber es stimmt. Oder ich glaube zumindest, dass es stimmt. Ich kann es nicht mehr so gut einschätzen; kann den Unterschied zwischen Liebe und Einsamkeit nicht mehr ausmachen, zwischen Heimweh und Schwäche. Was zum Teufel weiß ich schon über die Liebe?
    »Ich bin bei mir zu Hause.«
    »Aber es ist so still bei dir«, sagte sie. »Alles, woran ichmich von New York erinnere, sind Autohupen und Sirenen. Wie geht’s Chloe?«
    »Sehr gut. Sie dreht gerade irgendeinen Film in Prag.« Das war frei erfunden. Ich hatte keine Ahnung, wo sie war. Ich hegte den dumpfen Verdacht, dass sie einen Fetisch für Musiker hatte und sich bereits auf der Jagd nach ihrem nächsten Ehemann befand. Noch bevor es mit uns den Bach runtergegangen war, hatte sie angefangen, von irgendeinem Rapper in Cleveland zu schwärmen, hatte unaufhörlich seine Musik gehört und sogar mich gezwungen, sie zu hören. Einen Tag bevor ich New York verließ, bekam ich einen Anruf von einem Freund aus der Musikbranche, der fragte: Bist du in Cleveland? Ich hab nämlich gerade Chloe gesehen, backstage …
    »Ist Henry da?«
    »He, alles okay bei dir?«
    »Mir geht es gut, Beth.«
    »Lee, ich bin etwas verwirrt. Bist du in New York oder in Little Wing?«
    »Ich bin hier.«
    »Hier dort , oder hier hier ?«
    Tief einatmen. »Hier hier

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