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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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lange.«
    »He, Lee?«
    »Ja?«
    »Bist du sicher, dass du okay bist?«
    »Triff mich in zwei Stunden.«
    ...
    Der ganze Mythos beruhte nur auf diesen ersten zehn Stücken. Wo ich sie aufgenommen hatte, wie ich sie aufgenommen hatte, der Herzschmerz, die Drogen, der Alkohol. Das meiste davon stimmt überhaupt nicht. Diese ersten zehn Stücke, dieses ganze Album, Shotgun Lovesongs , ist einfach nur so aus mir herausgekommen. Ich war müde, denke ich. Ich war es leid zu scheitern, durch das Land, um den ganzen Globus zu reisen, auf Tour zu sein. Von einer Stadt zur anderen zu ziehen, wo niemand wusste, wer wir waren, wo niemand wusste, wer ich war. Vor Leuten in Deutschland oder Frankreich oder Belgien zu singen und sich zu fragen: Verstehen diese Leute überhaupt ein einziges gottverdammtesWort von dem, was ich hier singe? Und als dann die letzte Band auseinandergegangen war (wie es unweigerlich jedes Mal geschah), kam ich heim und fühlte mich wie der größte Versager im Universum. Ich dachte über Jobs nach – echte Jobs. Ich dachte darüber nach, aufzugeben.
    Man muss schon ziemlich verrückt sein, um Musiker zu werden. Es ist eine vollkommen unvernünftige Entscheidung. Die meisten Musiker hangeln sich nur irgendwie so durch, versuchen die ganze Zeit verzweifelt, irgendwelche Auftritte an Land zu ziehen, spielen auch schon mal gern auf einer Hochzeit oder einer Bar-Mizwa. Die meisten Musiker haben keine Krankenversicherung, nur ein sehr geringes Einkommen und keine zündende Idee, wie sie den Durchbruch schaffen könnten. Aber ich kann sie gut verstehen; sie sind besessen, sie lieben die Musik, sie lieben es, zusammen mit anderen Leuten Musik zu machen, das Publikum zu begeistern, das erhebende Gefühl des Applauses zu erleben, der auf einen guten Auftritt folgt. Wenn es sich anfühlt, als wollte die ganze Stadt dich plötzlich adoptieren; jeder im Publikum scheint von jetzt auf gleich bereit zu sein, dir eine Unterkunft, Essen, frische Kleider und Geld für das Taxi oder die Busfahrt nach Hause zu schenken.
    Sogar als ich noch ein Kind war, konnte ich, wenn ich im Bett lag, immer diese Riffs hören, diese Worte, und dann konnte ich sie auch sehen , wie sie in einzelnen Schichten übereinanderlagen, und ich sah, wie das Ganze zusammenpasste und miteinander verschmolzen werden musste. Ich nehme an, das meiste, was ich damals in meinem Kopf hörte, waren Echos von Bob Dylan oder Neil Young, Abwandlungen ihrer Werke. Aber schon damals lernte ich dazu, bastelte an meinem eigenen Klang, meinem eigenenStil. Auch heute noch schlafe ich nachts nicht besonders gut, weil ich immer Angst habe, es würde sich alles in Luft auflösen und unwiderruflich verloren sein, wenn ich nicht sofort aufstehe und den Kram festhalte. Lieber bleibe ich bis zum Morgengrauen wach und schreibe irgendwelchen Mist auf, der nie zu etwas taugen wird, als dass ich morgens gut ausgeruht aufwache, aber nicht mehr in der Lage bin, etwas zusammenzusetzen, das – wer weiß – vielleicht richtig gut gewesen wäre. Die meisten Schubladen in meinem Haus sind mit Papierschnipseln vollgestopft, auf die ich irgendwelches zusammenhangsloses Gefasel, winzige Gedichte oder Metaphern gekritzelt habe, die ich vielleicht mal in einem Song verwenden wollte. Und neben meinem Bett habe ich immer einen Notizblock liegen, der so über und über vollgeschrieben ist, dass es aussieht, als wäre darauf ein Tintenfass explodiert.
    Und jetzt war ich wieder zurückgekehrt. Nach Little Wing. Und war im Begriff, mich scheiden zu lassen. Ich verstand das alles noch immer nicht ganz. Die Hochzeit war wunderschön gewesen, die Flitterwochen herrlich (auf Saint-Barthélemy, wo ich jeden Tag Hummer gegessen habe und mich mit einem Tischler namens Jimmy anfreundete, der irgendwann herkommen wird, um meine Küche hier umzubauen), und dann fuhren wir wieder zurück nach New York, gingen eines Abends aus und sie schaut von ihrem Mobiltelefon auf und plötzlich ist sie ein anderer Mensch, den ich noch nie zuvor gesehen habe.
    »Ich glaube, das hier funktioniert nicht mehr«, sagte sie. Sie gab oft irgendwelche abgedroschenen Sprüche von sich. Ich führte dieses sprachliche Unvermögen auf zu viele schlecht geschriebene Drehbücher zurück.
    »Du glaubst, dass was nicht mehr funktioniert?«, fragteich und war drauf und dran, ihr meine Serviette ins Gesicht zu werfen, je nachdem, was sie als Nächstes sagen würde. Niemals zuvor habe ich mein Essen so vorsichtig gekaut wie ich dem

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