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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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fester Platz zugewiesen ist, die dafür gesorgt haben, dass du einen festen Platz hast – sie sind alle verschwunden. Und nichts ergibt mehr einen Sinn. Die Schwerkraft ist fort. Die Liebe ist fort.
    An einem Nachmittag im Februar, ein paar Monate nach Lees schickem kleinem Geständnis, fuhr ich nach Eau Claire, zu einer Bar, in der ich während meiner Studienzeit oft gewesen war. Ich setzte mich an den Tresen, bestellte einen Whiskey ohne Wasser und Eis und war fest entschlossen, dass ich, falls sich eine Frau neben mich setzte und mich anlächelte und wir ins Gespräch kamen und falls sie sich gerade hatte scheiden lassen oder sogar einfach nur getrennt lebte, dass ich dann … Oder falls sie wegen einer Geschäftsreise in der Stadt war …
    Ich saß den ganzen Nachmittag an der Bar, bis in den frühen Abend hinein, und trank so langsam, dass ich gerade eben nicht betrunken wurde. Nur müde. Ich saß da und trank und starrte auf den Fernsehschirm, auf dem Zusammenfassungen von Hockeyspielen, Basketballspielen und Footballspielen liefen. Ein paar Frauen kamen tatsächlich in die Bar, aber sie saßen immer in kleinen Grüppchen zusammen, unterhielten sich miteinander und kicherten in ihre Martinis, Daiquiris oder in ihr helles Bier. Sie schienen mich gar nicht zu bemerken, selbst dann nicht, wenn ich hin und wieder aufstand und in den hinteren Teil der Bar ging, wo sich die Toiletten befanden. Und während ichdort am Waschbecken stand und mir die Hände wusch, schaute ich in den Spiegel. Ich starrte mich einfach nur an. Ich sagte laut: »Und was zum Teufel willst du jetzt tun, du Bürschchen? Na?«
    Ich kehrte zu meinem Barhocker zurück und blieb unsichtbar. Dann bezahlte ich und ging hinaus in die graue Abendkälte und dachte: Was für ein seltsamer Ort, um nach Liebe zu suchen . Auf dem Parkplatz schaute mich mein Pick-up wie ein angeekelter alter Freund an, der dort die ganze Zeit geduldig auf mich gewartet hat. Ich fuhr heim, zog meine Stiefel aus und ging in den Keller, wo ich meinen Werkzeugkasten durchwühlte, ohne zu wissen, was ich überhaupt reparieren wollte und warum, bis schließlich Beth die Treppe hinunterrief: »Henry, das Essen ist fertig.«
    Aber ich antwortete nicht. Ich hatte keinen Hunger.

Draußen herrschte ein grellweißes Licht, als wäre der Himmel auf die Erde gestürzt. Als ich die Bar betreten hatte, musste ich erst einen Moment stehen bleiben, um meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es war keine Musik zu hören, aber in dem uralten Fernseher, der über dem Tresen an der Decke hing, lief eine Quizshow: Alex Trebek, der Quizmaster, machte gerade in Jeopardy drei Nerds in Rollkragenpullis fertig. Die Frau hinterm Tresen ignorierte mein Eintreten vollkommen und murmelte dem Fernseher Antworten zu, die als Fragen formuliert waren. Ich spähte in die dunklen Eingeweide des VFW und bildete mir ein, dort hinten eine Hand mit langen Fingern gesehen zu haben, die mir zuwinkte. Felicia. Ich ging an einer Reihe illegal aufgestellter Spielautomaten vorbei, an den abgewetzten alten Billardtischen und einer Sammlung von Queues, die in einer Ecke standen, und schließlich an der Jukebox, die so uralt war, dass man sie schon fast senil nennen konnte. Sie wiederholte immer wieder dieselben Lieder, wie ein alter Kriegsveteran die Berichte von seinen traumatischen Kampferlebnissen. Felicia saß allein in einer Nische. In der Mitte des Tisches vor ihr standen eine Kanne Bier und zwei Gläser.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte sie. »Ich wusste wirklich nicht, wen ich sonst hätte anrufen können.« Siegoss Bier in die Gläser, prostete mir halbherzig zu und nahm dann einen kleinen Schluck. Und dann einen sehr viel größeren.
    Ich stellte meine Handtasche auf die Sitzbank, zog meinen Mantel aus und setzte mich. Das Bier war eiskalt und der erste Schluck war ziemlich unangenehm; ich hätte viel lieber Kaffee oder Tee getrunken oder sogar einen heißen Kakao, alles, nur nicht dieses kalte, so stark nach Getreide schmeckende Bier. Aber wir waren schließlich im VFW. Und in dieser Bar bestellt niemand, aber auch wirklich niemand Tee. Auf der anderen Seite des Tisches nahm Felicia gerade einen weiteren tiefen Schluck aus ihrem Glas und in den feinen, unsichtbaren Härchen über ihrer Lippe sammelte sich ein wenig Schaum. Sie wischte ihn sofort mit dem Handrücken weg, wie ein kleines Mädchen, das sich seine Triefnase abwischt.
    »Kip und ich werden uns trennen«, sagte sie. Die Feststellung hing

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