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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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eine Weile in der Luft, peinlich, hässlich, unfassbar. Sie zuckte mit den Schultern, fing dann an zu weinen und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Meine erste Reaktion darauf war, gegen die Wand zu meiner Rechten zu sinken, die Wand, auf der sich die Einwohner von Little Wing mit ihren Namen verewigt hatten. Lässt sich denn jetzt jeder scheiden? , dachte ich. Hat denn die ganze Welt ihren gottverdammten Verstand verloren? Aber dann stand ich auf, setzte mich neben Felicia, schob das Bier weg und gab ihr ein Taschentuch. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr tröstend über den Rücken streichen sollte oder nicht, aber dann tat ich es doch, rieb ihr über die Schulterblätter und den Nacken, so ähnlich, wie ich es auch bei meinen eigenen Kindern tat. Felicia schnäuzte sich laut die Nase. Es klang wie ein Nebelhorn auf dem Lake Michigan, an solchen Tagen,an denen man vor lauter Dunst kaum die Hand vor Augen sehen kann. Die Barkeeperin schaute für einen Augenblick hoch, als hätte sie ganz vergessen, dass sie Gäste hatte, und konzentrierte sich dann wieder auf die Show im Fernsehen.
    »Er will keine Kinder«, sagte Felicia. »Will jetzt keine und hat auch nie welche gewollt. Ich habe keine Ahnung, was ich mir dabei gedacht habe. Scheiße, ich weiß nicht, was ich mir bloß dabei gedacht habe. Ihn zu heiraten. In dieses Kaff zu ziehen.« Sie schaute auf und hob resignierend ihre Handflächen. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht beleidigen, es ist nicht deine Schuld. Ich bin einfach nur – ich bin so wahnsinnig wütend. Seit ich hierhergezogen bin, ist mein Leben ein einziger Scheißhaufen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Sorge – ich nehm’s nicht persönlich.« Ich griff nach meinem Glas – das ohne Lippenstift – und nahm einen tiefen Schluck. Das Bier wurde allmählich wärmer; es schmeckte jetzt besser, etwas milder. Ich schaute zum Tresen. »Warte mal ’ne Sekunde, okay? Ich bin gleich wieder da.« Ich schlüpfte aus der Nische und ging zurück in Richtung der Fernsehstimmen.
    Ich lehnte mich an den Tresen. Die Barkeeperin saß auf einem Hocker, hatte ihre dicken Arme verschränkt und sagte zum Fernseher: »Wer ist Bart Starr?«
    »Entschuldigung«, sagte ich, »ich würde gerne was bestellen.«
    Die Frau hinterm Tresen hob einen Finger in die Luft. »Wer ist Vince Lombardi?«
    »Hallo?«, sagte ich.
    »Immer langsam mit den jungen Pferden, Schätzchen. Heute ist endlich mal ’ne Kategorie dran, wo ich mich auskenne.« Sie tippte mit einem Finger gegen ihre Unterlippeund lächelte dann triumphierend. »Wer ist Brett Favre!«
    »Entschuldigung!«
    Sie drehte sich vom Fernseher weg und sagte: »Wenn ich mich überhaupt irgendwo auskenne, dann bei den Green Bay Packers. Also. Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich hätte gern zwei Buttery Nipples.«
    Die Barkeeperin, die aussah, als wäre sie auf dem Sattel einer Harley-Davidson Hunderttausende von Meilen über die abgelegensten Landstraßen gefahren, schaute mich mit zusammengekniffenen Augen an und sagte: »Herzchen, habe ich Sie gerade richtig verstanden?« Sie lehnte sich gegen das Regal an der Rückwand. Die darin liegenden Chipstüten machten ein Geräusch, als wäre ihr Inhalt gerade zu feinstem Pulver zermahlen worden. Ebenfalls im Regal lagen Stapel von Tüten mit Cheez Doodles, frittierten Schweineschwarten und Erdnüssen. Und daneben standen zwei monströse Glasbehälter, einer mit eingelegten Eiern und der andere mit gepökelten Schweinefüßen. Die Gläser waren von einer dicken Staubschicht überzogen und sahen aus, als hätte man sie seit Jahrzehnten nicht angerührt. Es war auch nicht schwer zu verstehen, warum. Die Barkeeperin verschränkte wieder ihre Arme, spitzte die Lippen und legte den Kopf schief. »Würden Sie mir vielleicht auch verraten, wie zum Teufel ich so’n Ding machen soll?«
    »Ein halbes Glas Karamellschnaps, dann einen Schuss Irish Cream und noch ein bisschen Midori-Likör, glaube ich.« Ich habe diesen Cocktail auf der Uni immer gern getrunken und auch später, in dieser Brathähnchenbar, in der ich gekellnert habe. Ich schaute nach draußen. Es war kurz nach zwölf an einem Montag. Die Kinder waren in der Schule und Henry zu Hause. Als ich das Haus verließ, lager gerade auf dem Sofa und las ein Buch über die Lewis-und-Clark-Expedition. Henry kann sich um die Kinder kümmern , dachte ich. Draußen schien es bereits dunkler zu werden. Vor drei Wochen war Wintersonnenwende gewesen, so dass die Tage jetzt wieder

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