Showdown
ein anderes großes Gasgebiet. Und hier kommt ein weiterer europäischer Pleitekandidat ins Spiel: Zypern! Südlich von Zypern wurden im gesamten Seegebiet bis nach Israel und dem Libanon ebenfalls riesige Gasvorkommen entdeckt. Weite Teile des Meeresgebiets sind noch gar nicht erforscht, aber bereits das Bekannte sprengt alle bisherige Vorstellungskraft. Vieles deutet darauf hin, dass das östliche Mittelmeer zu einem zweiten »Persischen Golf« mutiert. Und so kann man die Konflikte in dieser Region, deren Ausbruch genau in die Zeit der Entdeckung der Gasfelder fällt, mit völlig anderen Augen sehen. Nehmen Sie erneut die Landkarte des östlichen Mittelmeers zur Hand, und tragen Sie die Krisengebiete der letzten vier Jahre ein. Revolution in Libyen. Revolution in Ägypten. Revolution in Syrien, wo der letzte Hafen der russischen Flotte mit Zugang zum Mittelmeer liegt. Übergreifen des Konflikts auf den Libanon. Herbeiführung des wirtschaftlichen Zusammenbruchs Griechenlands und Zyperns. Lediglich die US -Verbündeten Israel und Türkei (Nabucco-Pipeline/Militärstützpunkte wie Incirlik Air Base) sind nicht direkt betroffen. Wenn es nicht nur ein einziger großer Zufall ist, dass all diese Konflikte nahezu gleichzeitig ausbrechen und sich wie eine geschlossene Perlenkette um das östliche Mittelmeer und seine neuentdeckten Kohlenwasserstoffe ziehen, dann ließe sich hier an eine Agenda denken, an deren Ende man sich die vollständige amerikanisch-israelische Hoheit über diesen neuen »Persischen Golf« vorstellen könnte. Zugegeben, vermutlich wäre uns das lieber, als auch diese Vorkommen noch in der Hand Gazproms zu sehen. Am liebsten wäre mir jedoch, die Europäische Union würde endlich verstehen, was hier passiert, und sich ihren Anteil am Kuchen für die eigene unabhängige Energieversorgung sichern.
Israel hat erst unlängst eine Erklärung abgegeben, seine Hoheitsrechte zur See weit in das vom Libanon beanspruchte Seegebiet auszudehnen. Da sich beide Länder offiziell noch im Kriegszustand miteinander befinden und Israel die Grenzen des Libanon nie akzeptiert hat, baut sich hier der nächste Konflikt auf. Der libanesische Außenminister sprach von einer Aggression Israels gegen die libanesischen Öl- und Gasrechte, die man verteidigen werde. Und immerhin errichtet Israel eines der größten Flüssiggasterminals der Welt auf Griechisch-Zypern, um von dort das Gas verflüssigt mittels Tankern nach Europa zu schaffen. Auch eine Untersee-Gaspipeline von Zypern nach Kreta und Griechenland ist im Gespräch. Wer bohrt im Seegebiet vor Zypern nach Gas? Wieder unsere Freunde vom amerikanischen Unternehmen Noble Energy aus Houston, Texas.
Hier werden bislang sehr konservativ 11 Billionen Kubikmeter Gas angenommen. Fassen wir also zusammen. 11 Billionen Kubikmeter zwischen Zypern und Israel zuzüglich eines vermutlich noch größeren Gasvorkommens im griechischen Einflussbereich. Das sind nach unterster Schätzung 22 Billionen Kubikmeter. Zusammen mit den bisherigen Fördermengen aus Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland würde das genügen, um die gesamte Europäische Union für viele Jahrzehnte mit Erdgas zu versorgen, ohne auch nur eine Gasflasche aus Russland, Aserbaidschan, Libyen, Turkmenistan oder Ganzweitfortistan zu importieren. Die vollständige Energieautonomie der Europäischen Union wäre Realität. Wenn wir nicht so dumm sind, Griechenland und Zypern wegen ihrer »unbezahlbaren« Haushaltsschulden – die Staatsschulden Zyperns entsprechen gerade zweimal Stuttgart 21 – aus der Europäischen Union zu werfen. Doch fast sieht es so aus, als seien wir so dumm. Zumindest versuchen uns einige dafür zu verkaufen. Da wird ein mediales Gewitter gegen die faulen Pleite-Griechen und die Geldwäscher-Zyprioten abgebrannt, die Bevölkerungen werden gegeneinander aufgewiegelt und ein Druck auf der Straße erzeugt, dessen Ziel sein soll: »Ihr Politiker, kein Geld mehr für Griechenland und Zypern. Schmeißt sie raus!«
Doch was passiert in jenem Moment, in dem wir den Geldhahn zudrehen? Griechenland und Zypern sind sofort zahlungsunfähig. Wir haben mit den Sparpaketen und den IWF -Forderungen ja alles getan, damit es so weit kommt. Beide müssen aus dem Euro austreten. Das geht aber rechtlich sauber nur, wenn sie nach Artikel 50 des EU -Vertrags auch aus der EU austreten. Der letzte Punkt ist unter Staatsrechtlern umstritten, womöglich könnte es auch andere Winkelzüge geben … In jedem Fall
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