Showdown
die ohnehin knappen Arbeitsplätze streitig zu machen. Die Unternehmen freuten sich schon auf günstige Fachkräfte und rieben sich schon mal vorsorglich die Hände. Und dann war es so weit. Die letzte Hürde war mit großen Diskussionsrunden gefallen, und es passierte … nichts! Die Polen hatten gar kein Interesse daran, nach Deutschland zu kommen. Vermittler von deutsch-polnischen Arbeitsverhältnissen hatten zwar Jobangebote der deutschen Unternehmen, aber die polnischen Arbeiter sagten: »Bloß nicht nach Deutschland.«
Dass wir die Polen lange als Saisonarbeiter – andere sagen Lohnsklaven – im Weinbau und in der Landwirtschaft mit oft unwürdigen Wohn-, Arbeits- und Sozialbedingungen ausgebeutet haben, rächt sich nun. »Der Pole« hat die Arbeiten gemacht, für die sich die Deutschen zu fein waren. In meiner Region wächst viel Spargel. Trotz oft hoher Arbeitslosenzahl war es fast unmöglich, deutsche Erntehelfer für diese anstrengende Arbeit zu finden. Also hat man gerne auf die Polen zurückgegriffen, die meist, ohne zu murren, hart und lange gearbeitet haben, und das für wenig Geld. Und da sie schon so genügsam waren, hat man das oft bis an die Grenze des Legalen ausgedehnt, wenn es um schäbige Unterkünfte, billiges Essen oder einen Umgangston in bester Gutsherrenart ging. Viele Polen hatten lange keine andere Wahl. In ihrer Heimat waren selbst gute Jobs schlecht bezahlt, und so wurde vielerorts gescherzt, dass man mit Herzproblemen einfach mal auf dem Spargelfeld vorbeischauen sollte, dort arbeiteten im Juni angeblich die besten polnischen Kardiologen.
Diese Arbeitsbedingungen und Ausbeutung haben sich in Polen natürlich herumgesprochen. Deutschland gilt dort längst als unfreundliches, ausbeuterisches Land, bei dem man harte Akkordarbeit für mickrigen Lohn leisten muss. Wer jetzt als gut ausgebildete Fachkraft einen Job im Ausland sucht, schaut erst mal in Großbritannien oder der Schweiz vorbei, bevor er in dieses unfreundliche Deutschland geht. Aber auch das ist für viele gar nicht mehr nötig. In ihrer eigenen Heimat hat inzwischen ein Wirtschaftsboom eingesetzt, es gibt Jobs und eine Zukunftsperspektive. Warum sollte man sich in Deutschland mit mangelnden Sprachkenntnissen, fehlenden Sozialkontakten und höchstwahrscheinlich ablehnenden Zeitgenossen rumärgern?
So hat sich die polnische Wirtschaftsleistung seit dem EU -Beitritt 2004 nahezu verdoppelt. Nach dem europaweiten Einbruch 2009 ging es 2010 und 2011 jeweils wieder über 9 Prozent aufwärts. Und das ganz ohne diese Wunderdroge Euro. Machen wir doch mal einen Vergleich, wie sich einige Länder Europas mit und ohne Euro seit jenem EU -Beitritt Polens von 2004 bis 2012 entwickelt haben.
Mit Euro
Wirtschaftswachstum 2004–2012
Abwertungsbedarf
Ohne Euro
Griechenland
+ 10 %
50 %
Türkei
+ 98 % (nicht EU )
Italien
+ 14 %
15 %
Dänemark
+ 39 %
Irland
+ 23 %
10 %
Polen
+ 96 %
Spanien
+ 28 %
20 %
Ungarn
+ 58 %
Portugal
+ 29 %
20 %
Bulgarien
+ 129 %
Frankreich
+ 36 %
5 %
Tschechien
+ 110 %
Rumänien
+ 180 %
Das ist doch interessant zu sehen, mit welcher Dynamik sich jene europäische Staaten entwickelt haben, die keinen überbewerteten Euro als Ballast mit sich schleppen mussten. Gerade Länder wie Polen, Bulgarien, Tschechien, Rumänien galten als wirtschaftlich schwieriges Terrain. Aber siehe da, mit einem gemeinsamen Markt der Europäischen Union und gleichzeitig einer Währung, die der eigenen Leistungsfähigkeit entspricht, ist ein Boom möglich, der diese Länder fast mit Mitleid auf ihre Euro-Nachbarn sehen lässt.
Interessanterweise verliert sich dieser Bremsklotz, wenn man auf jene Länder schaut, für die der Euro nahe an der eigenen Leistungsfähigkeit liegt.
Mit Euro
Wirtschaftswachstum 2004–2012
Aufwertungsbedarf
Ohne Euro
Österreich
+ 44 %
5 %
Schweiz
+ 45 %
Niederlande
+ 34 %
10 %
Schweden
+ 40 %
Finnland
+ 33 %
10 %
Deutschland
+ 26 %
20 %
Natürlich ist es klar, dass hier jeweils viele Sonderfaktoren, besondere Umstände und länderspezifische Besonderheiten berücksichtig werden müssen. Die obige Aufstellung erhebt auch keinen Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit. Sie ist eine Momentbetrachtung, die die These der Bedeutung einer zur Wirtschaftskraft passenden Währung veranschaulicht.
Auch können bereits stark entwickelte Länder wie die Niederlande, Österreich oder Schweden keine so hohen Wachstumsraten aufweisen wie ein Land mit extremem Nachholbedarf wie beispielsweise Rumänien. Aber ist es nicht
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