Showdown
neu eingestellten Mitarbeiter auch recht unkompliziert wieder freisetzen können, wenn es doch nicht so prickelnd werden sollte. Nur durch eine solche Unterstützung der Konjunktur gelingt es, die Reformen wirken zu lassen. Der dadurch entstehende Aufschwung ist es am Ende auch, der die Bürger davon überzeugt, die Reformen mitzutragen.
Natürlich muss der spanische Staat seinen öffentlichen Dienst verschlanken. Aber das ist wesentlich einfacher, wenn es in einem Wirtschaftsaufschwung geschieht, in dem die aus dem Staatsdienst Entlassenen eine gute Chance haben, in der aufstrebenden und nach Arbeitskräften suchenden freien Wirtschaft einen Job zu erhalten. Im Wirtschaftsaufschwung hat die Regierung wesentlich mehr Freiheiten, auch unliebsame Entscheidungen durchzusetzen, da sie sich anscheinend bewähren.
Warum ist dann aber Gerhard Schröder 2005 abgewählt worden? Es ist aus seiner Sicht vermutlich fast schon tragisch. Seine Reformen waren verständlicherweise sehr umstritten. Deutschland dümpelte mit Wachstumsraten von 0 , 8 Prozent ( 2004 ) und 1 , 1 Prozent ( 2005 ) vor sich hin – und nun auch noch die harten Einschnitte. Diese wurden diskutiert und angefeindet, bevor die gleichzeitig eingeführten Konjunkturmaßnahmen gegriffen haben. Vielleicht war es Schröders größter Fehler, 2005 aufgrund des harschen Gegenwinds gegen seine Politik vorgezogene Neuwahlen zu erzwingen. Er fühlte sich offenkundig so sicher, dass er glaubte, mit dieser Wahl die Legitimation für sein Vorgehen zu erhalten. Doch er irrte sich. Er verlor die Wahl und in der Folge auch sein Amt. Angela Merkel übernahm das Ruder.
Sie wiederum hatte beinahe unverschämtes Glück. Die schmerzhaften Reformen wurden ihrem Vorgänger angelastet, aber der unmittelbar nach der Wahl einsetzende Aufschwung wurde in der Wahrnehmung der Menschen nicht als Folge der von Schröder umgesetzten Konjunkturpakete gesehen, sondern der wundertätigen Hand der neuen Kanzlerin zugeschrieben. Was so natürlich nicht ganz korrekt war. Beschlossene Kürzungen, Steuererhöhungen und Sparmaßnahmen wirken sofort. Wird eine Erhöhung der Mehrwertsteuer beschlossen, steigen die Preise am Tag des Inkrafttretens unmittelbar an. Konjunkturpakete wirken aber mit Zeitverzögerung. Werden beispielsweise Milliarden für Bauprojekte zur Verfügung gestellt, müssen solche Projekte erst einmal erdacht, dann geplant, genehmigt und schließlich umgesetzt werden. Es gehen also viele Monate ins Land, bevor aus beschlossenen Konjunkturmaßnahmen ein Wirtschaftsaufschwung und Arbeitsplätze entstehen.
Dieser Zeitversatz war es vermutlich, der Schröder um den Lohn seiner Politik und damit auch um sein Amt gebracht hat. Denn unmittelbar nach dem Regierungswechsel kam es zu dem von ihm angeregten Konjunkturaufschwung. Deutschlands Wirtschaft entwickelte sich prächtig um 2 , 9 Prozent in 2006 und 2 , 5 Prozent in 2007 . 2008 begann noch fulminanter, bevor die platzende Immobilienblase in den USA zum Wirtschaftseinbruch auch in Deutschland führte. Wenn für Erich Honecker der legendäre Satz Gorbatschows geprägt war »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben«, muss Schröder für sich anfügen: »Wer zu früh geht, den auch!« Aber er lässt sich in Russland ja gebührend trösten.
Doch an diesem Punkt sind wir noch nicht angekommen. Bislang ist die Notwendigkeit von konjunkturbelebenden Maßnahmen in Europa noch gar nicht erkannt. Wir setzen ausschließlich Reformen und Sparpakete um, und das während der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Folge ist eine Entwicklung wie unter Reichskanzler Brüning. Die Staaten saufen förmlich ab. Die griechische Wirtschaft versinkt im Bodenlosen. So schrumpft die Wirtschaftsleistung seit 2009 mit dramatischer Dynamik. 2009 : – 3 , 2 Prozent. 2010 : – 3 , 5 Prozent. 2011 : – 6 , 9 Prozent. 2012 : – 6 Prozent. Das Elend der einfachen Bevölkerung ist dramatisch und einem Land innerhalb des reichen Europa unwürdig.
Ein französischer Politiker sagte einst: »Eine Revolution entsteht nie durch jene, die ohnehin nichts mehr zu verlieren haben. Eine Revolution entsteht, wenn der Mittelstand um seine Existenz fürchtet.« Genau diesen unheilvollen Punkt haben mehrere Länder Europas gerade erreicht. Die Konzepte der etablierten Parteien werden als volksfeindlich eingestuft, es gibt kein Hoffnungslicht am Ende des Tunnels in Form von Konjunkturpaketen, die die Menschen dazu ermutigen könnten, die letzten Meter durch den
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