Showdown
Frage vom Beginn des Buches: Cui bono? Wem nutzt es?
Ein geschätzter Kollege beliebte stets zu sagen: »So wird das Spiel nun mal gespielt. Hat dir bei der Geburt jemand erzählt, dass das Leben gerecht sei? Na siehst du!«
Aber ich habe mich an diesen Gedanken bis heute nicht gewöhnen können, und es treibt mir noch immer die Zornesröte ins Gesicht.
Ich suche noch heute nach Erklärungen, die mir begreiflich machen, warum wir Europäer – insbesondere wir Deutsche – den US -dominierten IWF an Bord geholt haben, um die innereuropäischen Probleme anzugehen in einer Zeit, in der die Welt im Wirtschaftskrieg um die künftige Weltdominanz steht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hatte sich 2010 massiv gegen eine Einbeziehung des IWF ausgesprochen, da er eine zu große Einflussnahme der USA fürchtete. So berichtet die »Zeit«: »Griechenland als Einfallstor der Amerikaner in das Prestigeprojekt Eurozone – zu einer solchen Kapitulation ist man in Berlin noch nicht bereit. ›Die Verantwortung für die europäische Währung hat die Europäische Währungsunion‹, so Schäuble.«
Auch der Chef der Eurogruppe und luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker sprach sich gegen den IWF aus. Aber Otmar Issing, der langjährige EZB -Chefökonom und seit 2008 Vorsitzende der Deutschen Regierungskommission zur Reform der Finanzarchitektur, machte sich für die Einbindung des IWF stark: »Meine Präferenz ist, dass man den IWF einschaltet.«
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Otmar Issing seit 2007 »International Advisor« der Investmentbank Goldman Sachs ist. Einen möglichen Interessenkonflikt zwischen seiner gleichzeitigen Tätigkeit für Goldman Sachs und die Bundesregierung sah offenkundig niemand.
Wie wir erleben mussten, hat sich Issings Sichtweise gegen Schäuble und Juncker durchgesetzt. Ein aus meiner Sicht verhängnisvoller Fehler Europas. Man hat die Tore geöffnet und das trojanische Pferd IWF hereingeschoben. Um noch einmal die Worte der »Zeit« aufzugreifen: Nun war man in Berlin zu einer solchen Kapitulation bereit.
Bei einer hochkarätigen Veranstaltung in Berlin fragte ich im persönlichen Gespräch einen angesehenen amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, ob er eine Erklärung habe, warum Europa den IWF hinzugezogen hat. Seine Antwort kam so prompt wie ehrlich: »Herr Müller, wir alle wissen, was für eine irrsinnige und fatale Politik der IWF in den letzten Jahrzehnten gefahren hat und welche Katastrophen er ausgelöst hat. Seien Sie versichert, die USA wären der letzte Staat dieser Erde, der auf den IWF hören würde.« Was mich aber dann vollends vom Glauben hat abfallen lassen, war die Antwort eines deutschen Regierungsmitglieds auf dieselbe Frage: »Wir haben in Europa die Kompetenzen und das Fachwissen nicht. Daher benötigen wir den IWF .«
Ich fasse zusammen: Die größte Volkswirtschaft der Welt mit den besten Wissenschaftlern und Ingenieuren, mit EZB und Wirtschaftsweisen hat das Fachwissen nicht, um seine eigenen Probleme zu erkennen und zu lösen, und benötigt daher die Hilfe der amerikanischen »Retter«.
Da fällt mir unwillkürlich ein Zitat aus der Fernsehserie »Peter Strohm« ein (die Älteren werden sich erinnern): »Die Welt ist im Arsch, die Ratten gehen an Krücken. Lass uns gehen.«
Vielleicht brauchen wir nicht die Hilfe des IWF , sondern Politiker, die sich, Europa und seinen Bürgern etwas zutrauen und die vor allem in der Lage sind zu erkennen, wenn andere sie freundlich lächelnd über den Tisch ziehen wollen.
Jetzt ist das trojanische Pferd nun mal hinter den Mauern, und die Männer in seinem Inneren haben ihre zerstörerische Arbeit aufgenommen. Griechenland wird mit immer neuen Spardiktaten in den Abgrund gedrückt. Erstes Ziel ist eine Abspaltung Griechenlands von Europa. Und das soll für Europa so teuer wie möglich werden und idealerweise das Gesamtkonstrukt Europa spalten. Ein Hilfspaket folgt dem nächsten, eine Garantieübernahme auf die andere. Doch all die Hilfskredite sind nicht bei den griechischen Bürgern angekommen. Sie dienten fast ausschließlich dazu, den internationalen Banken und Investoren ihre griechischen Staatsanleihen abzukaufen oder abzulösen. Sie sollten schadlos gehalten werden oder gar mehr. Etliche internationale Hedgefonds und Banken haben Milliarden an der griechischen Tragödie verdient, während die Kosten und Risiken zu den europäischen Steuerzahlern verlagert wurden. Schlechter hätte man die
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