Shutdown
sich ihre Stimme zu überschlagen drohte.
Ben wich zurück. »Tut – mir leid – Don ...«, stammelte er.
»Der Don kann mich mal kreuzweise.«
Widerwillig ließ sie vom Boten ab und konzentrierte sich auf die schlechte Nachricht. Das neue Drehbuch kürzte die vorgesehenen Beiträge um die Hälfte und setzte einen völlig neuen Schwerpunkt für den Abend: die Zuschaltung des Demokraten Harry Green aus Kaliforniens Hauptstadt und seines republikanischen Gegners Russ Johnson direkt aus seinem Büro auf dem Capitol Hill in Washington.
»Das ist eine verdammte Talkshow«, rief sie wütend und warf den Bettel wieder auf den Tisch.
Sie arbeitete in einem Irrenhaus. Das war nichts Neues. So begann der Teil ihres Hirns, wo sich die professionelle Routine eingenistet hatte, sofort damit, sich die Eckpunkte des Simultan–Interviews zurechtzulegen. Sie würde die Diskussion über das alles beherrschende Thema Cyberterror mit Stichwörtern lenken und im Übrigen dafür sorgen, dass keiner der Streithammel zuviel Zeit beanspruchte. Den Rest der Neuronen brauchte sie für die Unterhaltung mit Ben.
»Ich brauche die Kernpunkte«, sagte sie.
Ben entspannte sich. Er zog eine Seite aus dem Stoß hervor und reichte sie ihr. »Ich habe mir erlaubt, die Highlights zusammenzufassen.«
Sie warf einen kurzen Blick darauf. Der Junge war gut, was sie ihm mit der Andeutung eines Lächelns zu verstehen gab. Diese eine Seite genügte, um nichts Wichtiges zu vergessen. Nur darum ging es ihr. Im Übrigen würde sie die Politiker reden lassen. Das beherrschten sie. Die Uhr auf dem Monitor zeigte 07:53 p. m. Die Liveschaltungen standen. Sie kontrollierte ein letztes Mal ihr Aussehen im Spiegel, bevor sie ins Studio ging.
Sobald sie an ihrem Platz vor den Kameras saß, ihre Notizen, Script und Monitore kontrolliert hatte und auf das Zeichen der Regie wartete, schaltete ihr Verstand auf Automatik. Die einleitenden Texte der kurzen Beiträge zur aktuellen Lage in der Bay Area las sie vom Teleprompter. Auf die Technik konnte man sich im Irrenhaus wenigstens verlassen. Die Vorschau auf Sport und Wetterprognose lief ab, gefolgt vom sechzig Sekunden Segment über das Beben der Stärke 6.9 nördlich von Tokio und die neuste Variante der Bedrohung Israels durch iranische Hacker. Die Story war der ideale Einstieg ins Interview. Sie begrüßte die Senatoren, umriss das Thema, danach spielte die Regie den ersten Werbeblock ein.
Nach zwei Minuten lächelte sie in Kamera 1. »Senator Johnson, was geht Ihnen durch den Kopf bei diesen Nachrichten aus Kalifornien und jetzt aus Israel?«
Das gönnerhafte Lächeln erstarb auf Johnsons Gesicht. Mit der Miene des besorgten Landesvaters setzte er zur Antwort an. »Janice, zuerst einmal bin ich tief betroffen. Betroffen, dass genau das eingetreten ist, was ich und meine Mitstreiter in beiden Kammern seit Jahren verhindern wollen. Der zweite Gedanke, da will ich ehrlich sein, ist Wut. Ich bin wütend, dass es eine Katastrophe wie die in Kalifornien braucht, bis auch unsere Gegner verstehen, dass es nicht genügt, eine griffige Gesetzesvorlage wie ›PACTA‹ zu beerdigen und dann die Hände in den Schoß zu legen. Wir müssen jetzt, und das ist der dritte Punkt ...«
»Russ – sorry, dass ich unterbreche«, mischte sich Harry Green ein. »Es gibt keinen Grund, sich zu ärgern. ›PACTA‹ geht zu weit. Eine Mehrheit in diesem Land will keine Gesinnungsschnüffelei. Das wurde damals demokratisch entschieden. Als Republikaner bist du doch ein aufrechter Demokrat, oder irre ich mich?«
»Deine Wortspiele in Ehren, Harry, aber hier geht es um eine ernste Sache ...«
»Eben.«
»... die unser Land in seinen Grundfesten erschüttert. Cyberterroristen greifen unsere Infrastruktur an, verursachen mit ein paar Mausklicks tausendfaches Leid, enorme Kosten, vernichten Arbeitsplätze. Und unseren Behörden sind die Hände gebunden, bis es zu spät ist. Das macht mich wütend.«
Wie erwartet, entwickelte sich das Interview zu einem Streitgespräch zwischen den Politikern. Gut für die Quote, und Janice brauchte nur mit ernstem Gesicht zuzusehen. Der Texaner holte Atem. Green nutzte die kurze Pause, um das Wort zu ergreifen.
»Noch wissen wir nicht, wer oder was wirklich hinter den Problemen mit der Stromversorgung in unserm Staat steckt, Russ. Es gibt Hinweise auf Hacker, die ins Netz von ›CGO‹ eingedrungen sein sollen. Von Cyberterrorismus zu sprechen, halte ich zumindest für verfrüht. Erste Priorität
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