Shutdown
Mutters Umarmung.
»Was machen wir jetzt?«, fragte sie.
»Weiter. Wir machen weiter. Ich sehe keinen Grund, warum uns jemand entdecken sollte, solang wir vorsichtig bleiben.«
»Auch ich habe, verdammt noch mal, keine Lust, jetzt aufzuhören«, lachte Jen gequält, um sich selbst zu ermutigen.
Emma schmunzelte. »Wäre auch gelacht.«
Mit der Angst schwand allmählich die Blockade im Gehirn. Sie begann, wieder rational zu denken. Ihre einzige Waffe zur Verteidigung war das Spezialwissen, die Beherrschung der digitalen Welt aus Bits und Bytes. Falls ihnen die Schnüffler des SFPD wirklich auf den Fersen waren, mussten sie sich beeilen. Flucht war keine gute Option. Nur wenn sie die ›Black Hats‹ rechtzeitig überführten, konnten sie sich sicher fühlen. Emma blickte versonnen in die Bucht hinaus. Ihre Gedanken schienen sich im dunklen Wasser zu verlieren.
Jen zupfte sie am Ärmel. »Komm. Worauf wartest du? Weitermachen, es eilt.«
Sacramento, Kalifornien
Nathan sah fast mitleidig auf die kleine Gestalt mit den eingefallenen Gesichtszügen hinunter. Danny Lee mochte Computergenie sein und schon mit fünfundzwanzig dreimal soviel verdienen wie ein Lieutenant beim SFPD mit zwanzig Dienstjahren, aber in diesem Augenblick hätte er um keinen Preis mit ihm tauschen wollen. Der junge Mann war ein Wrack, reif für den Psychiater, wenn es nach ihm ginge. Er gab Joe einen Wink, und sie ließen den Verantwortlichen für die IT bei ›CGO‹ wieder an seinen Computer. Es war nichts Vernünftiges aus dem Mann herauszuholen. Er sprach in Rätseln, faselte von ›Rollback‹, ›Full Backup‹, dem vorletzten ›Major Release‹, den sie wieder ›einziehen‹ mussten und ›Patches‹, die sie nur ›selektiv nachfahren‹ durften.
»Glaubst du, die wissen, was sie tun?«, fragte Joe auf dem Weg zu Wards Büro. »Ich verstehe kein Wort.«
»Da sind wir schon zwei«, sagte Nathan.
Er wünschte für seine Familie und ein paar Millionen Menschen in Kalifornien, dass Danny und seine Leute diesem Kampf gegen den unsichtbaren Feind gewachsen waren. Die traurigen Gestalten sahen allerdings nicht danach aus. Die Auswertung der Durchsuchung würde noch Wochen dauern. Dennoch stand jetzt schon so gut wie fest, dass Ward keine geheimen Daten und Dokumente im Büro oder im Speicher seines Computers aufbewahrte. Im Safe lagen unverdächtige Verträge und Daten-Disks. Am ganzen ›CGO‹-Hauptsitz fand sich kein Hinweis auf den Report der Hacker, ebenso wie in Wards Wohnung. Der Bericht schien sich in Luft aufgelöst zu haben, genau wie Jim Ward selbst.
»Haben Sie den Chef erreicht?«, fragte er die Sekretärin.
Die Frau blickte ihn aus geröteten Augen verstört an. »Ich verstehe das nicht«, antwortete sie so leise, als wäre ihr mit dem Chef auch die Stimme abhandengekommen. »Mr. Ward ist sonst ständig in Kontakt mit uns.«
»Versuchen Sie es weiter. Ist Ihnen inzwischen etwas aufgefallen, das in Mr. Wards Unterlagen fehlen könnte? Etwas, das er vielleicht mitgenommen hat?«
Sie flüsterte noch leiser, dass er von den Lippen ablesen musste: »Ja, sein Aktenkoffer. Den trägt er stets bei sich. Es tut mir leid. In der Aufregung habe ich nicht daran gedacht.«
»Wie sieht er aus, dieser Koffer?«, fragte Joe.
»Schwarz, ein Lederkoffer, ziemlich groß. So ein Pilotenkoffer, wissen Sie. Tut mir leid ...«
»Schon in Ordnung«, beruhigte Nathan. »Sie kennen Mr. Ward doch seit Langem. Haben Sie eine Vorstellung, wo er hingefahren sein könnte?«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Die meiste Zeit verbringt er ja hier oder auf Geschäftsreise, sonst jede freie Minute bei seiner Familie. Die Wards haben eine süße kleine Tochter. Mein Gott, wenn ihm nur nichts ...«
»Beruhigen Sie sich. Wir werden ihn finden«, sagte Nathan schnell. »Bitte verbinden Sie mich mit Mrs. Ward. Ich möchte nochmals mit ihr sprechen.«
Gleichzeitig gab er Joe das Zeichen, die Fahndung auszulösen. Zehn Minuten später fuhren sie auf der 50 nach Osten. Jim Ward besaß ein Wochenendhaus in den El Dorado Hills am Folsom Lake.
»Wie weit sind die Kollegen mit den Bankauszügen?«, fragte Nathan unvermittelt.
»Noch nirgends«, brummte Joe. »Bei der Bank-IT scheint im Moment das gleiche Chaos zu herrschen wie bei ›CGO‹.«
Er hatte es befürchtet. Schwierig, eine Bank zu betreiben ohne stabile Stromversorgung.
»Was macht eigentlich die Nationalgarde die ganze Zeit?«, wunderte sich Joe, während er vorsichtig über eine
Weitere Kostenlose Bücher