Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
Vom Netzwerk:
er keine. Die musste warten, bis der Auftrag erledigt war. Ihn interessierten nur die Trucker, die am Ende des Tages nach Süden fuhren, zurück zu den Feldern, von denen er herkam.
     
    Parlier, Fresno County, Kalifornien
     
    Dort wo sein Haus abgebrannt war, stand eine neue Siedlung. Kleinkinder spielten auf der Straße vor den Rasen, die aussahen, als würden sie jeden Morgen frisch ausgerollt. Der amerikanische Traum in Parlier. Von den früheren Nachbarn wohnte keiner mehr hier. Der Einzige, der ihm sicher weiterhelfen konnte, war der alte Pfarrer Coleman. Adam erwartete nicht, mit offenen Armen empfangen zu werden, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Er ließ die Idylle hinter sich und nahm den kurzen Weg zur Kirche unter die Füße. Grundlos, wie ihm schien, wählte er nicht den direkten Weg zum Pfarrhaus, sondern den Umweg über den Friedhof. Am Grab seiner Frau blieb er stehen, senkte den Kopf und betete. In einem fast vergessenen früheren Leben hatten sie sich geliebt, aber aus der Liebe war nichts Gutes entstanden. Das gefiel dem Herrn nicht. Darum musste er ihn gerade hier um Gnade bitten. Das Gefühl, beobachtet zu werden, störte sein Gebet. Er wandte sich um und sah einen jungen Mann, der ihm aus gebührendem Abstand zusah.
    »Es hat sich lange niemand mehr um ihr Grab gekümmert«, sagte der Unbekannte. Er kam zögernd näher. »Ich will Ihre Andacht nicht stören. Sind Sie ein Verwandter?«
    »Und wer sind Sie?«
    »Tim Baker, Pastoralassistent der Gemeinde.«
    Adam ignorierte die ausgestreckte Hand. »Ich möchte zu Pfarrer Coleman.«
    Der junge Mann musterte ihn unschlüssig, traurig, wie ihm schien. Dann wandte er sich ab und forderte ihn auf, ihm zu folgen. Sie schritten eine Reihe Gräber ab, bis er stehenblieb und sagte:
    »Hier haben wir Pfarrer Coleman begraben. Gott hab ihn selig.«
    »Amen«, antwortete Adam automatisch.
    Das Grab sah frisch aus.
    »Wann ist er gestorben?«
    »Vor einem Monat. Er ist friedlich eingeschlafen. Haben Sie ihn gut gekannt?«
    »Kann man sagen.«
    Mit einem toten Coleman hatte er nicht gerechnet. Wen sollte er nun fragen? Sein Gesicht musste reichlich betroffen aussehen, denn der junge Mann versuchte, ihn aufzurichten:
    »Sein Tod hat uns alle sehr getroffen. Wir haben seine Sachen noch nicht einmal angerührt. Aber der Herrgott hat ihm ein langes, erfülltes Leben geschenkt. Das ist uns ein Trost.«
    Er horchte auf. »Seine Sachen? Wo sind die?«
    »Im Pfarrhaus, warum?«
    »Ich muss sie sehen.«
    Das freundliche Gesicht des jungen Mannes verdüsterte sich. »Das geht nicht«, erwiderte er unsicher.
    »Doch, jetzt sofort. Ich habe wenig Zeit.«
    »Hören Sie – ich weiß nicht, wer Sie sind – ich kann doch nicht ...«
    Er wollte nicht mit diesem Gottesmann streiten. Ohne ein weiteres Wort ging er aufs Pfarrhaus zu. Der junge Mann blieb wie zur Salzsäule erstarrt stehen. Erst als Adam die Tür öffnete, rannte er ihm nach.
    »Halt, das geht nicht. Was tun Sie da!«, rief er blass vor Schreck.
    Adam ließ sich nicht aufhalten. Er kannte den Weg zu Pfarrer Colemans Studierzimmer.
    »Verlassen Sie sofort dieses Haus, sonst rufe ich die Polizei.«
    Tatsächlich griff Baker zum Telefon. Adam schlug es ihm aus der Hand und trat es mit einem einzigen Fußtritt zu Brei. Der Mann wollte mit weit aufgerissenen Augen die Flucht ergreifen, doch Adam packte ihn am Kragen.
    »Sie bleiben da«, knurrte er.
    Seine Pranke schloss sich um den Hals des Überraschten.
    »Und kein Ton!«, warnte er, wobei er nur leicht zudrückte.
    Er schleifte ihn mit in Colemans Zimmer. Alles sah noch genau gleich aus wie bei seinem letzten Besuch vor einer Ewigkeit. Der heilige Antonius als Briefbeschwerer rechts, der Brieföffner links auf dem Schreibtisch, dazwischen das Rolodex und ein vergilbtes Foto von seiner Priesterweihe. Zwei Drittel des Büchergestells nahmen Stapel von Notizen ein, jeder beschwert mit einem dicken Buch. Baker hockte zusammengesunken auf dem Sessel, wo er ihn hingesetzt hatte und beobachtete ihn mit angsterfülltem Blick. Er war kein würdiger Nachfolger für den alten Coleman, der nur Gott allein gefürchtet hatte, wie es sich für einen wahren Gottesmann geziemt. Wegen der Anschriften in der Kartei war er hergekommen. Frank Taylor fand er schnell, doch Adresse und Telefonnummer waren noch die Alten. Frank wohnte nicht mehr in Fresno, soviel wusste er. Enttäuscht suchte er weiter unter P wie Police und S wie Sheriff, aber er fand keine Angabe über

Weitere Kostenlose Bücher