Shutdown
verdanken, dass die Stimmung im Kongress kippte. ›PACTA‹ ist nicht einfach eines von vielen neuen Gesetzen, die jeden Monat in Washington durchgewinkt werden und wirkungslos verpuffen. Sie müssen nur den einzigen kurzen Absatz 24b lesen, dann sehen Sie, wie gefährlich ›PACTA‹ wirklich ist. Politik und Big Business wollen die totale Kontrolle über die Daten im Netz. Sie reden den Leuten ein, nur so ließen sich künftige Hacker-Angriffe wie in Kalifornien verhindern. Das ist totaler Bullshit. Erstens werden Hacker immer einen Weg finden, Sicherheitslücken auszunutzen – ich weiß, wovon ich spreche – und zweitens kennt man die wahre Ursache des Blackouts nicht, solang die Hintermänner im Dunkeln bleiben. Ich glaube, man kann die Stimmung im Land nur drehen, wenn die wahren Hintergründe bekannt werden. Wenigstens habe ich diese Hoffnung noch nicht aufgegeben.«
Sie wunderte sich über sich selbst. Ihr Monolog hörte sich stellenweise an, als käme er aus dem Mund von Mike oder Jezzus, aber es war ihre Überzeugung. Sie hatte sie nur noch nie in Worte gefasst. Pat sah sie lange nachdenklich an, bevor sie mit einem Unterton von Bewunderung sagte:
»Sie haben sich viel vorgenommen. Was steht denn in Abschnitt 24?«
»24b. Ich kann ihnen den Text zeigen, wenn Sie es genau wissen wollen. ›PACTA‹ enthält Bestimmungen, die Service-Provider zwingen, sämtliche Daten der Nutzer offenzulegen und den Verkehr für ganze Nutzergruppen bei Bedarf zu sperren, um Firmen- und staatliche Netzwerke vor Cyberangriffen zu schützen. Der Text ist wohl absichtlich so vage formuliert, dass es praktisch keine Einschränkungen gibt. Genauso wenig sind Kontrollen gegen Missbrauch vorgesehen. Einer hat es so formuliert: Big Brother in Großbuchstaben. Die Atombombe steckt aber im Abschnitt 24b. Darin heißt es sinngemäß, diese Bestimmungen gelten ungeachtet aller u¨brigen gesetzlichen Vorschriften .«
»Das ist allerdings dicke Post.«
Pat rührte geistesabwesend im Topf. Die ›PACTA‹ Geschichte hatte sie offensichtlich bisher nicht beschäftigt . Wie die meisten Menschen in diesem Land , dachte Jen bitter. Die Leute merkten nicht, wie sie Schritt für Schritt entmündigt wurden von Lobbies, denen sie kritiklos auf den Leim gingen. Oder sie kümmerten sich nicht darum, bis es zu spät war. Pat legte die Kelle weg.
»Und Sie glauben, ›TNC‹ habe etwas mit diesen Hackern zu tun?«
»Ich möchte es gern wissen. Wie gesagt hat Steve Duncan, der Journalist, mit den Hackern Kontakt gehabt, und zwar unmittelbar vor dem Blackout. Duncan kommuniziert auch sehr häufig mit Carmen Tate von ›TNC‹ ...«
»Ich kenne Steve«, unterbrach Pat. »Er hat früher für mich gearbeitet. Eine ziemlich windige Nummer, aber er brachte gute Stories. Don hielt ihn für eine Stütze des Konzerns.«
»Sie nicht?«
Pat zuckte die Achseln. »Jedenfalls hat er sich zu meiner Zeit an die Gesetze gehalten.«
»Warum haben Sie den Job bei ›TNC‹ aufgegeben, damals vor vier Jahren?«
»Ich wollte Kakteen malen«, lachte sie. »Lassen Sie uns zuerst essen, sonst werden die Jungs unruhig.«
Die Suppe roch zwar gut, doch Jen stocherte bloß ungeduldig darin. Sie hörte nur mit einem Ohr zu, wie sich Pat und die Jungs, wie sie die zwei hageren älteren Männer und den athletischen jungen Schmied nannte, über Dinge unterhielten, von denen sie noch nie etwas gehört hatte. Stellenweise glaubte sie, das Künstlerkollektiv spreche seine eigene Geheimsprache.
»Schmeckt es nicht?«, fragte der Schmied unvermittelt in verständlichem Englisch.
»Ja«, antwortete sie wahrheitsgetreu. »Es schmeckt nicht, aber das hat nichts mit der Suppe zu tun. Ich schmecke gar nichts, müssen Sie wissen.«
Den Grund dafür ließ sie im Dunkeln, was den Papageienmaler dazu anspornte, seine Krankengeschichte zu erzählen. Nicht zum ersten Mal, wie es schien, denn die Tafelrunde löste sich rasch auf. Sie blieb allein mit Pat in der Küche zurück. Endlich konnte sie dort weitermachen, wo sie unterbrochen worden war.
»Hat Ihr Rückzug bei ›TNC‹ etwas mit dem Report zu tun, den ich auf Tates Telefon gefunden habe?«
Pat nickte. »Der Bericht war der Schlusspunkt. Ich habe ihn für den Don erstellt, um auf unhaltbare Missstände hinzuweisen, aber er hat ihn nie von mir erhalten. Ich fand es nur fair, die Sache zuerst mit ihm zu besprechen, bevor ich Beweise gegen einige seiner Vertrauten auf den Tisch legte.«
»Aber Tate hat sich den Report
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