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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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IST 67?
     
    Schon das Blatt in der Hand zu halten, war Teddy unangenehm. Der Rand kitzelte ihm an den Fingern.
    »Ach, du Scheiße«, sagte Chuck.
    Cawley trat neben sie. »Kommt unserer klinischen Auswertung ziemlich nahe.«
    »Wir sind drei«, sagte Teddy.
    Chuck spähte auf das Blatt. »Hä?«
    »Die drei, das könnten wir sein«, erklärte Teddy. »Wir drei, die wir jetzt hier stehen.«
    Chuck schüttelte den Kopf. »Woher sollte sie denn das wissen?«
    Teddy zuckte mit den Schultern. »Einfach geraten.«
    »Hm.«
    »Ja«, bestätigte Cawley, »aber andererseits spielt Rachel auf hohem Niveau. Ihre Wahnvorstellungen – insbesondere die Einbildung, ihre drei Kinder seien noch am Leben – gründen auf einer sehr zerbrechlichen, aber höchst verschachtelten Architektur. Um diese Struktur aufrechtzuerhalten, bedient sie sich einer komplizierten narrativen Klammer, die völlig fiktiv ist.«
    Langsam drehte Chuck den Kopf zu Cawley um. »Wenn ich das verstehen soll, muss ich vorher noch mal zur Uni gehen.«
    Cawley schmunzelte. »Denken Sie an die Lügen, die man als Kind seinen Eltern auftischt. Sie sind kompliziert. Anstatt sich kurz zu fassen, warum man nicht in der Schule war oder die Hausaufgaben vergessen hat, schmückt man die Geschichte aus, steigert man sie ins Fantastische. Nicht wahr?«
    Chuck dachte nach und nickte.
    »Klar«, sagte Teddy. »Straftäter machen das genauso.«
    »Genau. Dahinter steckt der Wunsch nach Vernebelung. Der Zuhörer soll verwirrt werden, bis er eher aus Resignation denn aus Überzeugung glaubt. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie würden sich diese Lügen selbst erzählen. Genau das macht Rachel. In vier Jahren hat sie noch nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass sie sich in einer geschlossenen Anstalt befindet. Ihrer Meinung nach lebt sie in ihrem Haus in den Berkshires, und wir sind vorbeikommende Lieferanten, Milchmänner und Postboten. Egal, wie die Realität aussieht, sie hält mit reiner Willenskraft an ihrer Illusion fest.«
    »Aber wieso sickert die Wahrheit nicht zu ihr durch?«, fragte Teddy. »Ich meine, sie ist schließlich in einer Nervenheilanstalt. Wie kann es sein, dass sie das nicht gelegentlich wahrnimmt?«
    »Aha«, sagte Cawley. »Nun kommen wir zur furchtbaren Schönheit der ausgeprägten schizophrenen Paranoia. Wenn Sie überzeugt sind, meine Herren, dass allein Sie die Wahrheit kennen, dann müssen alle anderen lügen. Und wenn alle lügen …«
    »Dann ist alles, was sie von sich geben, gelogen«, ergänzte Chuck.
    Cawley richtete die Hand auf ihn wie eine Pistole. »Sie haben’s verstanden.«
    »Und damit haben diese Zahlen etwas zu tun?«, fragte Teddy.
    »Müssen sie. Irgendetwas müssen sie bedeuten. Nichts, was Rachel durch den Kopf geht, ist müßig oder unwichtig. Sie muss aufpassen, dass das Gerüst in ihrem Kopf nicht zusammenbricht, und um das zu verhindern, darf sie nicht aufhören zu denken. Hier«, er tippte auf die Sehprobe, »hat sie dieses Gerüst zu Papier gebracht. Ich bin überzeugt, dass es der Schlüssel zu ihrem Versteck ist.«
    Einen Moment lang meinte Teddy, die Zahlen sagten ihm etwas, bekämen Bedeutung. Es waren die ersten beiden, ganz bestimmt – die 47 und die 80. Aus irgendeinem Grund schlugen sie in seinem Kopf eine Saite an, als wenn man sich an die Melodie eines Liedes zu erinnern versucht, während im Radio ein völlig anderer Song gespielt wird. Die 47 war einfacher. Es war zum Greifen nah. Es war so simpel. Es war …
    Aber dann brachen die logischen Verbindungen zusammen, und Teddys Kopf wurde leer. Der Anhaltspunkt, die Verbindung, die Brücke verflüchtigten sich. Teddy legte den Zettel zurück aufs Bett.
    »Die hat was verloren«, sagte Chuck.
    »Was denn?«, fragte Cawley.
    »Den Verstand«, sagte Chuck. »Wenn Sie mich fragen.«
    »Nun«, entgegnete Cawley. »Ich denke, zumindest das können wir als gesichert annehmen.«

4
    SIE STANDEN IM Gang vor Rachels Zimmertür. Der lange Korridor wurde vom Treppenhaus in zwei Hälften geteilt. Rachels Zimmer war links von der Treppe auf halber Höhe der rechten Seite.
    »Ist die Treppe der einzige Weg nach unten?«, wollte Teddy wissen.
    Cawley nickte.
    »Kein Zugang zum Dach?«, fragte Chuck.
    Cawley schüttelte den Kopf. »Aufs Dach kommt man nur über die Feuerleiter. Ich zeige sie Ihnen gleich an der Südseite des Gebäudes. Davor ist aber eine Tür, die immer verschlossen ist. Das Personal hat Schlüssel, die Patienten natürlich nicht. Um aufs Dach zu gelangen, hätte

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