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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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gelassen zu werden. Die alte Zeit zurückzuhaben, als er noch nicht so viel arbeitete und trank, die Zeit, bevor sie eines Morgens aufwachte und die Welt zu grell, zu laut und zu kalt war.
    »Na gut.« Sie lehnte sich zurück, sodass er ihr ins Gesicht sehen konnte. Das Wasser spritzte von seinen Schultern und umnebelte ihren Körper. »Ich biete dir einen Handel an. Der ganze Tag, das geht nicht, Schatz. In Ordnung. Aber eine Stunde. Du kannst doch einfach eine Stunde später kommen.«
    »Ich bin schon –«
    »Eine Stunde«, sagte sie und streichelte ihn wieder. Ihre Hand war voller Seife. »Eine Stunde, dann lass ich dich gehen. Ich möchte dich in mir spüren.« Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
    Er drückte ihr einen kurzen Schmatzer auf die Lippen und sagte: »Schatz, ich kann nicht.« Dann drehte er das Gesicht in den Duschstrahl.
    »Wirst du noch mal einberufen?«, wollte sie wissen.
    »Hm?«
    »In den Krieg.«
    »In das Drecksland? Schatz, der Krieg ist vorbei, ehe ich die Stiefel geschnürt habe.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Ich weiß nicht mal, was wir da zu suchen haben. Ich meine –«
    »Weil die Kommunisten ihre Waffen nicht von ungefähr haben, Süße. Die kommen von Stalin. Wir müssen beweisen, dass wir aus München was gelernt haben. Wir hätten Hitler damals aufhalten sollen, deshalb halten wir jetzt Stalin und Mao auf. In Korea.«
    »Du würdest gehorchen.«
    »Wenn ich einberufen würde? Dann muss ich gehorchen. Aber so weit wird’s nicht kommen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    Er wusch sich das Haar.
    »Hast du dich schon mal gefragt, warum die uns so hassen, die Kommunisten?«, fragte sie. »Warum können die uns nicht in Ruhe lassen? Die Welt fliegt in die Luft, und ich verstehe nicht mal, warum.«
    »Wir fliegen nicht in die Luft.«
    »Doch. Lies mal die Zeitung, dann –«
    »Dann hör auf, die Zeitung zu lesen.«
    Teddy wusch das Shampoo aus, sie schmiegte ihr Gesicht an seinen Rücken, verstohlen krochen ihre Hände um seinen Bauch nach vorne. »Ich weiß noch, wie ich dich zum ersten Mal im Grove gesehen habe. In Uniform.«
    Teddy hasste es, wenn sie damit anfing. Wenn sie auf Nostalgie machte. Sie weigerte sich schlichtweg, das Jetzt wahrzunehmen, zu akzeptieren, was sie waren, Menschen mit Fehlern. Stattdessen bahnte sie sich verschlungene Wege in die Vergangenheit, um sich an ihr zu wärmen.
    »Du warst so hübsch. Und Linda Cox meinte, sie hätte dich zuerst gesehen. Aber weißt du, was ich zu ihr gesagt habe?«
    »Ich komme zu spät, Schatz.«
    »Wieso sollte ich denn so was sagen? Nein. Ich hab gesagt: ›Du hast ihn vielleicht zuerst gesehen, Linda, aber ich sehe ihn als letzte.‹ Sie meinte, aus der Nähe würdest du böse aussehen, aber ich hab gesagt: ›Süße, hast du seine Augen gesehen? Da ist nichts Böses drin.‹«
    Teddy stellte die Dusche aus und drehte sich um. Sie hatte es geschafft, sich mit Seife zu beschmieren. Hatte Schaum auf der Haut.
    »Soll ich das Wasser wieder anstellen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Er wickelte sich ein Handtuch um die Hüften und rasierte sich am Waschbecken. Dolores lehnte sich gegen die Wand und sah ihm zu. Der Schaum auf ihrer Haut trocknete.
    »Warum trocknest du dich nicht ab?«, fragte Teddy. »Zieh dir doch den Bademantel über!«
    »Ist alles weg«, sagte sie.
    »Nein, ist noch nicht weg. Sieht aus, als wärst du voller weißer Blutegel.«
    »Nicht die Seife«, sagte sie.
    »Was denn?«
    »Der Nachtclub, Cocoanut Grove. Ist abgebrannt, als du drüben warst.«
    »Ja, Schatz, habe ich mitbekommen.«
    »Da drüben«, sang sie leise, um sich aufzumuntern. »Da drüben …«
    Sie hatte immer schon eine unheimlich hübsche Stimme gehabt. Als er aus dem Krieg heimgekehrt war, hatten sie sich ein Zimmer im Parker House Hotel geleistet. Sie hatten miteinander geschlafen, dann war sie ins Badezimmer gegangen, und er lag im Bett und hörte sie zum ersten Mal singen, »Buffalo Girls«. Unter der Badezimmertür war der Dampf hervorgekrochen.
    »Hey«, sagte sie.
    »Ja?« Im Spiegel sah er ihre linke Körperhälfte. Die Seife auf ihrer Haut war fast vollständig getrocknet, irgendetwas daran störte ihn. Es war für ihn eine Entweihung, ohne dass er es hätte erklären können.
    »Hast du eine andere?«
    »Was?«
    »Ja?«
    »Was redest du da für eine Scheiße? Ich arbeite , Dolores.«
    »Du stehst in der Dusche und ich streichel deinen –«
    »Du sollst das Wort nicht sagen. Herrgott noch mal.«
    »–

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