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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Schwanz, und er wird nicht mal hart?«
    »Dolores.« Er wandte sich vom Spiegel ab. »Du hast von Bomben geredet. Vom Ende der Welt.«
    Sie zuckte mit den Schultern, als sei das bedeutungslos für ihr jetziges Gespräch. Sie stützte sich mit dem Fuß an der Wand ab und strich sich mit dem Finger Wasser von der Innenseite des Oberschenkels. »Du fickst mich nicht mehr.«
    »Dolores, ich meine es ernst – ich will so was in diesem Haus nicht hören.«
    »Also muss ich davon ausgehen, dass du eine andere fickst.«
    »Ich ficke überhaupt niemanden, und könntest du jetzt aufhören, dieses Wort zu sagen?«
    »Welches Wort?« Sie legte die Hand auf ihr dunkles Schamhaar. »Ficken?«
    »Ja.« Er hob abwehrend die Hand. Mit der anderen fuhr er fort, sich zu rasieren.
    »Das ist also ein schlechtes Wort?«
    »Das weißt du ganz genau.« Er zog die Rasierklinge am Hals nach oben, hörte durch den Schaum das schabende Geräusch.
    »Was ist denn ein gutes Wort?«
    »Hm?« Er tauchte die Klinge ins Wasser und spülte sie aus.
    »Bei welchem Wort über meinen Körper machst du keine Faust?«
    »Ich habe keine Faust gemacht.«
    »Doch.«
    Er war fertig mit dem Hals und wischte die Rasierklinge an einem Waschlappen ab. Dann setzte er unter der linken Kotelette an. »Nein, Schatz, hab ich nicht.« Er sah ihr linkes Auge im Spiegel.
    »Welches Wort soll ich benutzen?« Sie fuhr sich mit der einen Hand durchs Kopfhaar, mit der anderen durchs Schamhaar. »Ich meine, man kann sie lecken und küssen und ficken. Man kann zusehen, wie Babys rauskommen. Aber aussprechen darf man das Wort nicht?«
    »Dolores!«
    »Fotze«, sagte sie.
    Das Rasiermesser schnitt so tief in Teddys Wange, dass er meinte, den Knochen getroffen zu haben. Unwillkürlich riss er die Augen auf. Die gesamte linke Gesichtshälfte brannte. Dann lief Rasiercreme in die Wunde. Durch seinen Kopf zuckten Zitteraale, Blut tropfte in den weißen Schaum und das Wasser im Becken.
    Sie brachte ihm ein Handtuch, aber er stieß sie zur Seite und rang nach Luft. Der Schmerz grub sich in seine Augen, versengte ihm das Gehirn, er blutete ins Waschbecken und hätte am liebsten geweint. Nicht weil es weh tat. Nicht weil er einen dicken Kopf hatte. Sondern weil er nicht wusste, was mit seiner Frau los war, mit dem Mädchen, das im Cocoanut Grove zum ersten Mal mit ihm getanzt hatte. Er wusste nicht, was aus ihr geworden war, was aus der Welt geworden war mit ihren Verletzungen durch kleine, schmutzige Kriege, wütenden Hass, Spione in Washington, in Hollywood, Gasmasken in Schulen, Betonbunker in Kellergeschossen. Irgendwie hatte alles miteinander zu tun – seine Frau, die Welt, das Trinken, der Krieg, in dem er gekämpft hatte, weil er überzeugt gewesen war, es würde alldem ein Ende machen …
    Er blutete ins Waschbecken, und Dolores sagte: »Es tut mir Leid, entschuldige, es tut mir Leid«, und als sie ihm zum zweiten Mal das Handtuch anbot, nahm er es, aber er konnte sie nicht berühren, konnte sie nicht ansehen. Er hörte die Tränen in ihrer Stimme und wusste, sie hatte Tränen in den Augen und auf den Wangen, und er verabscheute, wie verkommen und obszön die Welt geworden war und alles in ihr.
     
    In der Zeitung hatte gestanden, als letztes hätte er seiner Frau gesagt, dass er sie liebte.
    Gelogen.
    Was er tatsächlich als letztes zu ihr gesagt hatte?
    Er hatte zum Türknauf gegriffen, ein drittes Handtuch an die Wange gedrückt, ihren flehenden Blick auf ihm: »Mensch noch mal, Dolores, jetzt reiß dich zusammen! Du trägst Verantwortung, schon vergessen? Hör endlich mit dieser Scheiße auf!«
    Das waren die letzten Worte, die seine Frau von ihm gehört hatte. Er hatte die Tür hinter sich geschlossen, war die Treppe hinuntergegangen und auf der letzten Stufe stehen geblieben. Er hatte überlegt, umzukehren. Er hatte überlegt, die Treppe wieder hochzusteigen, in die Wohnung zu gehen und es irgendwie gutzumachen. Und wenn nicht gutmachen, dann wenigstens sich versöhnen.
    Versöhnen. Das wäre schön gewesen.
     
    Die Frau mit der Lakritznarbe am Hals kam den überdachten Gang hinunter auf sie zugewatschelt, an Füßen und Händen gefesselt, an jeder Seite ein Pfleger. Sie sah glücklich aus, schnatterte wie eine Ente und versuchte, mit den Ellenbogen zu flattern.
    »Was hat sie verbrochen?«, fragte Chuck.
    »Die hier?«, fragte der Pfleger. »Das ist die alte Maggie. Maggie Moonpie nennen wir sie. Sie geht gerade zur Bädertherapie. Aber bei ihr muss man

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