Shutter Island
aufpassen.«
Maggie blieb stehen. Halbherzig versuchten die Pfleger, sie weiterzuschieben, aber sie stieß sie mit den Ellenbogen fort und stemmte die Fersen in den Steinboden. Ein Pfleger verdrehte die Augen und seufzte.
»Fängt sie wieder an zu predigen, hm?«
Mit seitlich geneigtem Kopf schaute Maggie Teddy und Chuck an, als sei sie eine Schildkröte, die sich vorsichtig unter ihrem Panzer hervorwagte.
»Ich bin der Weg«, sagte sie. »Ich bin das Licht. Und ich werde eure verfluchten Kuchen nicht backen. Das mache ich nicht. Ist das klar?«
»Klar«, sagte Chuck.
»Verstanden«, sagte Teddy. »Keine Kuchen.«
»Ihr wart hier. Ihr bleibt hier.« Maggie schnupperte die Luft. »Es ist eure Zukunft und eure Vergangenheit, die wie der Mond um die Erde kreist.«
»Jawohl.«
Sie beugte sich vor und schnüffelte. Zuerst an Teddy, dann an Chuck.
»Sie haben Geheimnisse. Davon lebt diese Hölle.«
»Tja, davon und vom Kuchen«, sagte Chuck.
Sie lächelte ihn an, und für einen Augenblick hatte es den Anschein, als habe ein klarer Mensch ihren Körper betreten.
»Lachen Sie«, sagte sie zu Chuck. »Das ist gut für die Seele. Lachen Sie.«
»Gut«, sagte Chuck. »Mache ich.«
Mit gekrümmtem Finger berührte sie seine Nase. »So möchte ich Sie in Erinnerung behalten – lachend.«
Dann schlurfte sie weiter. Die Pfleger setzten sich ebenfalls in Bewegung. Zu dritt betraten sie das Krankenhaus durch eine Seitentür.
»Lustiges Mädchen«, sagte Chuck.
»Die Sorte stellt man gerne Mom zu Hause vor.«
»Bis sie Mom umlegt und anschließend in einem Schuppen verscharrt, aber trotzdem …« Chuck zündete sich eine Zigarette an. »Laeddis.«
»Hat meine Frau getötet.«
»Das hast du schon gesagt. Wie?«
»Er hat den Brand gelegt.«
»Hast du auch schon gesagt.«
»Er war Hausmeister bei uns im Haus. Hat sich mit dem Eigentümer verkracht. Wurde gefeuert. Damals wussten wir nur, dass das Feuer Brandstiftung war. Irgendjemand hatte es gelegt. Laeddis stand auf der Liste der Verdächtigen, aber sie brauchten ziemlich lange, bis sie ihn zu fassen bekamen, und als es so weit war, hatte er schon ein Alibi aufgetrieben. Mensch, ich hab selbst dran gezweifelt, ob er es war.«
»Was hat dich schließlich überzeugt?«
»Vor einem Jahr lese ich zufällig die Zeitung, und da ist er wieder. Hat die Schule abgefackelt, an der er angestellt war. Die gleiche Geschichte: Er wird entlassen, kommt zurück, legt das Feuer im Keller, manipuliert den Boiler, damit er explodiert. Exakt dieselbe Vorgehensweise. Identisch. Kinder waren nicht mehr in der Schule, aber die Direktorin war da, arbeitete noch. Sie starb. Laeddis kam vor Gericht, behauptete, Stimmen zu hören und so weiter, wurde in Shattuck eingewiesen. Irgendwas ist da vorgefallen – was, weiß ich nicht –, jedenfalls wurde er vor sechs Monaten hierher verlegt.«
»Seitdem hat ihn keiner mehr gesehen.«
»Nicht auf Station A und B.«
»Das könnte bedeuten, er ist in C.«
»Ja.«
»Oder tot.«
»Möglich. Ein Grund mehr, den Friedhof zu finden.«
»Nehmen wir aber mal an, er ist nicht tot.«
»Gut …«
»Teddy, was willst du machen, wenn du ihn findest?«
»Keine Ahnung.«
»Erzähl keinen Scheiß, Chef.«
Mit klappernden Absätzen kamen zwei Schwestern auf sie zu, eng an der Wand entlang, damit sie nicht nass wurden.
»Ihr werdet nass, Jungs«, sagte eine von ihnen.
»Überall?«, fragte Chuck, und die Schwester, die innen ging, eine Kleine mit kurzem schwarzem Haar, lachte.
Ein paar Meter weiter sah sie sich über die Schulter um. »Flirten alle Marshals so gerne?«
»Kommt drauf an«, sagte Chuck.
»Worauf?«
»Auf die Qualität des Personals.«
Kurz stutzten beide, dann barg die Schwarzhaarige das Gesicht in der Schulter der anderen. Beide prusteten los und verschwanden durch die Tür ins Krankenhaus.
O Gott, wie Teddy Chuck beneidete. Um seinen Glauben an das, was er sagte. Seinen Glauben an das alberne Flirten. An schnelle, bedeutungsleere Wortspiele, wie Soldaten sie mögen. Aber vor allem um die Leichtigkeit seines Charmes.
Charmant zu sein, war Teddy nie leicht gefallen. Nach dem Krieg war es noch schwerer geworden. Und nach Dolores – Fehlanzeige.
Charme war der Luxus derer, die an die grundsätzliche Richtigkeit der Dinge glaubten. An Makellosigkeit und Gartenzäune.
»Weißt du«, sagte er zu Chuck, »am letzten Morgen hat meine Frau von dem Brand im Cocoanut Grove gesprochen.«
»Ja?«
»Da haben wir uns nämlich kennen
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