Shutter Island
nicht? Du lügst. Ich weiß, dass sie –«
»Sie hat was geschrieben«, sagte Teddy und klopfte die Taschen seines Trenchcoats nach dem Notizbuch ab.
Schließlich zog er es aus der Innentasche und suchte die betreffende Seite.
Chuck pfiff vor sich hin und stampfte wie im Stechschritt in die weiche Erde.
Teddy fand die Seite und sagte: »Hör auf damit.«
Chuck stand auf. »Gefunden?«
Teddy nickte und drehte das Notizbuch um, damit Chuck das einzige Wort auf der Seite lesen konnte. Es war kleingeschrieben und verlief bereits im Regen:
lauf
9
SIE ENTDECKTEN DIE Steine ungefähr achthundert Meter landeinwärts. Unter schiefergrauen, flachen Wolken stürmte der Himmel der Dunkelheit entgegen. Sie erklommen rutschige, steile Böschungen, auf denen das lange Seegras im Regen glänzte, und waren anschließend von oben bis unten mit Schlamm bespritzt.
Vor ihnen lag ein Feld, so flach wie die Wolken von unten. Es war nicht viel zu sehen, lediglich einige Büsche, herbeigewehtes Laub und viele kleine Steine, von denen Teddy zuerst annahm, der Wind hätte sie mit den Blättern herbeigetragen. Als er auf der anderen Seite der Böschung hinunterstieg, blieb er auf halbem Wege kurz stehen und sah genauer hin.
Die Steine waren in Häufchen über das Feld verteilt, jeweils ungefähr fünfzehn Zentimeter voneinander entfernt. Teddy legte Chuck die Hand auf die Schulter und wies auf die Steine.
»Wie viele Häufchen siehst du?«
»Was?«, fragte Chuck.
»Die Steine«, sagte Teddy. »Kannst du sie sehen?«
»Ja.«
»Sie sind aufgetürmt. Wie viele Stapel sind es?«
Chuck blickte ihn an, als sei Teddy der Sturm zu Kopfe gestiegen. »Das sind doch bloß Steine.«
»Nein, jetzt mal ehrlich.«
Chuck starrte ihn ungläubig an, dann blickte er aufs Feld. Nach einer Weile sagte er: »Ich sehe zehn.«
»Ich auch.«
Der schlammige Boden gab nach, Chuck rutschte und ruderte mit den Armen. Teddy hielt ihn fest, bis Chuck sich wieder aufgerichtet hatte.
»Sollen wir runtergehen?«, fragte Chuck und verzog leicht verdrossen das Gesicht.
Mühsam kletterten sie hinunter. Teddy ging zu den Steinhäufchen und erkannte, dass sie zwei parallele Reihen bildeten. Einige Häufchen waren deutlich kleiner als andere. Manche bestanden aus lediglich drei, vier Steinen, andere hingegen zählten mehr als zehn Steine, vielleicht sogar zwanzig.
Teddy lief zwischen den beiden Reihen entlang, blieb stehen und sagte zu Chuck: »Wir haben uns geirrt.«
»Wieso?«
»Sieh mal zwischen den beiden Häufchen hier.« Teddy wartete auf Chuck, um das Phänomen zusammen mit ihm zu begutachten. »Das ist ein einzelner Stein. Der bildet für sich allein einen Haufen.«
»Bei diesem Wind? Nein, der ist runtergefallen.«
»Die beiden Häufchen daneben sind gleich weit entfernt. Jeweils fünfzehn Zentimeter. Und in der anderen Reihe kommt das auch zweimal vor. Einzelne Steine.«
»Ja, und?«
»Das heißt, es sind dreizehn Steinhaufen, Chuck.«
»Du glaubst, das ist von ihr ? Glaubst du das wirklich?«
»Ich glaube, dass es von Menschenhand gemacht ist.«
»Noch eine geheime Botschaft.«
Teddy hockte sich neben die Steine. Er zog den Trenchcoat über den Kopf und die Seitenteile nach vorne, damit das Notizbuch nicht nass wurde. Wie ein Krebs bewegte er sich seitwärts und blieb vor jedem Häufchen hocken, um die Steine zu zählen und die Menge zu notieren. Als er fertig war, hatte er dreizehn Zahlen: 18 – 1 – 4 – 9 – 5 – 4 – 23 – 1 – 12 – 4 – 19 – 14 – 5.
»Vielleicht ist das die Kombination für das größte Schloss der Welt«, schlug Chuck vor.
Teddy klappte das Notizbuch zu und steckte es in die Tasche. »Guter Witz.«
»Schon gut, schon gut«, sagte Chuck. »Ich werde mit der Nummer jeden Abend zweimal als Alleinunterhalter auftreten. Kommst du auch mal vorbei?«
Teddy zog den Trenchcoat vom Kopf und richtete sich auf. Der Regen trommelte auf ihn ein, der Wind heulte.
Sie ließen die Klippen rechts liegen und marschierten in nördliche Richtung. Im Getöse von Wind und Regen wurde Ashecliffe zu ihrer Linken immer kleiner. In der folgenden halben Stunde verschlechterte sich das Wetter erheblich. Wie zwei Betrunkene lehnten sie sich beim anderen an, um sich besser zu verstehen.
»Cawley hat dich gefragt, ob du beim militärischen Nachrichtendienst warst. Hast du ihn angelogen?«
»Ja und nein«, erwiderte Teddy. »Entlassen wurde ich von der normalen Armee.«
»Und wo warst du vorher?«
»Nach der
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